Gefangene der Dunkelheit
Tristan am Gewand mit sich. Er war im Stehen einen halben Kopf kleiner als Tristan und wesentlich schmaler gebaut, aber kräftemäßig war er ihm wohl ebenbürtig.
»Nicht ganz«, erwiderte Tristan. Er riss den Dolch aus seinem Gürtel und zog ihn dem anderen Dämon übers Gesicht.
»Bastard!«, fluchte der Dämon, und sein irischer Akzent war nun deutlicher erkennbar, während er sich schmerzerfüllt zurückzog. Die Wunde war tief, blutete aber kaum, bevor sie sich selbst zu heilen begann.
»Ebenso«, knurrte Tristan, packte seinen Gegner bei den Schultern und drängte ihn mit aller Kraft an die Wand zurück, wo er ihn festhielt. »Wer seid Ihr?«
»Dein Bruder, Dummkopf.« Der Ire unternahm einen halbherzigen Versuch, sich zu befreien, aber er schien nun eher belustigt als zornig zu sein. »Ob es uns beiden gefällt oder nicht.«
»Ich sagte es Euch«, erklang eine Stimme aus den Schatten. Der kleine, bärtige Mann, den Tristan in seinem Traum gesehen hatte, trat ins Mondlicht, das durch die schmale Tür hereinfiel. »Ich wusste, dass Ihr ihn nicht einfach würdet vernichten können.«
Tristan verlor rasch die Geduld. »Ich habe keine Brüder«, antwortete er, riss den anderen Dämon auf sich zu und schleuderte ihn dann wieder gegen die Wand. »Wer seid Ihr?«
Sein Gegner hieb Tristan die Stirn mit voller Kraft ins Gesicht, sodass er Sterne sah, obwohl er ein Dämon war. »Hurensohn«, murrte er und rieb sich die Stirn, und Tristan, der wieder auf dem Boden saß, war geneigt, ihm zuzustimmen. »Friede, Junge, Erbarmen …« Er streckte eine Hand aus. »Ich bin Simon, Herzog von Lyan.«
»Herzog von Lyan?« Tristan kannte den Namen eines höchst unnützen Rittergutes der Krone in Irland. Aber er hatte niemals davon erzählen hören, dass dessen Herr ein Monstrum war.
»Jedenfalls im Moment.« Als Tristan ihn zuerst gesehen hatte, war er ihm halbwegs ungezähmt erschienen, wie ein Geschöpf der Dunkelheit. Nun wirkte er wie jeder andere adlige Ritter, wenn er auch mit seinem langen, schwarzen Haar und dem verruchten Grinsen besser aussah als die meisten. »Und dies ist Orlando der Zauberer.«
»Zauberer?« Der Schmerz in Tristans Kopf ließ nach, aber er war noch immer verwirrt. Er blickte zwischen den beiden Männern hin und her, während er sich an seinen Traum erinnerte. »Wo ist das Mädchen?«
Die beiden anderen sahen sich an. »Welches Mädchen?«, fragte Simon zögerlich.
»Das Mädchen, das Euch anflehte, sie zu töten.« Er rappelte sich hoch. »Ich sah sie mit Euch in meinem Traum.« Sein Schwert lag noch immer neben seinem Schlafplatz, und er überlegte im Stillen, wie schnell er es wohl erreichen könnte.
»Ich sagte es Euch«, belehrte der Mann namens Orlando den Dämonenritter Simon erneut. »Er war ein Versehen, aber er soll nicht getötet werden.«
»Ein Versehen?«, echote Tristan.
»Ich wollte Euch nicht erschaffen«, erklärte Simon. »Ich wollte Euch töten.«
»Ah«, sagte Tristan und nickte verblüfft.
»Es war nichts Persönliches«, versprach Simon, und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen.
»Wir brauchen ihn«, drängte Orlando, als hätte er sie nicht gehört. Der Graubart reichte seinem Gefährten kaum bis zur Taille und trug die kunterbunte Kleidung eines Narren. Aber er war es offensichtlich gewohnt, diesen Simon wie eine Mischung aus Riese und Imperator herumzukommandieren. »Er ist Teil Eurer Suche.«
»Ich danke Euch für Eure Freundlichkeit, mein Herr«, sagte Tristan sarkastisch. »Aber ich habe eine eigene Suche.«
»Eure Suche ist die Erlösung«, antwortete der kleine Zauberer und wandte sein vornehmes Gebaren nun auch bei Tristan an. »Die Vernichtung des Bösen …«
»Warum glaubt Ihr das, Zauberer?«, unterbrach Tristan ihn. »Warum sollte ich mich solchen Dingen widmen, wenn ich an nichts davon glaube?« Er wandte sich wieder Simon zu. »Sagt mir, wer ich bin.« Er nahm sein Schwert hoch. »Sagt mir, zu was Ihr mich gemacht habt, auch wenn es ein Versehen war.«
»Ein Vampir«, antwortete Simon. Tristan runzelte die Stirn, und er lächelte. »Das Wort hat für Euch keine Bedeutung, ich weiß – das galt für mich ebenso.«
»Was ist es also?« Er hatte keine Zeit für Rätsel. Sein Kind war der Gnade seiner Feinde ausgeliefert. Er hatte genügend eigene Probleme. »Was ist ein Vampir?«
»Ein Kind des Bösen«, sagte Orlando. »Ein Sterblicher, von einem Dämon besessen, der ihm die Kraft eines Dämons verleiht, ihm aber das Licht
Weitere Kostenlose Bücher