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Gefangene der Dunkelheit

Gefangene der Dunkelheit

Titel: Gefangene der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Blue
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als das von Menschen – Met anstatt Wein. Das Tier erschauderte, und er spürte ein Vibrieren in seiner Brust, hörte sein tiefes, durchdringendes Knurren. Als sein Hunger nachließ, spürte er eine neue Empfindung, ein Gefühl von Mitleid, das er als Dämon bisher niemals empfunden hatte. Der Hirsch war unschuldig, war in der Wildnis sein Bruder. Warum musste er angstvoll sterben?
    Er hob den Kopf von der Kehle des Tieres und leckte sich das Blut vom Mund. Er war ein Hund, wie er erkannte, Exemplar einer großen, wuchtigen Rasse wie einer Dogge, mit goldfarbenem Fell von der Farbe seines Haars. Der Hirsch wehrte sich, schwächer, aber immer noch kraftvoll. »Lauf«, befahl Tristan, und das Wort drang als Aufjaulen hervor. Das Tier wand sich, schaute mit noch immer vor Entsetzen geweiteten Augen zu ihm zurück und war im Blick des Dämons wie gelähmt.
    Tristan nahm seinen Verstand zusammen und erhob sich, während sich sein Körper veränderte und wieder zur Gestalt eines Menschen wurde. Er trat von seiner Beute zurück und wandte den Kopf ab. »Lauf«, wiederholte er, noch immer heiser, aber mit der Stimme eines Menschen. Der Hirsch kam mühsam hoch, wobei sich sein Geweih in den lehmigen Boden grub. Dann war er im Handumdrehen fort, lief mit donnernden Hufen in den Wald.
    Der Wind um Tristan herum nahm zu, offenbar der Anfang eines Sommersturms. Plötzlich hatte er das Gefühl, unmittelbar hinter sich eine Präsenz zu spüren, irgendein dunkler Geist, der seine Jagd beobachtet hatte. Er wandte sich mit einer Hand am Schwert rasch um. »Wer ist da?«, rief er in die Nacht. Aber er sah nichts außer dem leeren Wald. Er wandte sich erneut um und hörte eine Stimme, hörte hinter dem Rascheln der Blätter ein Flüstern. »Mein Sohn«, hauchte sie. Aber sein Vater war schon lange tot und im Staub verrottet, schon seit er ein Junge war.
    Der andere Dämon, dachte er. Es musste gewiss der Dämon sein, der ihn erschaffen hatte. Er musste ihm heimlich gefolgt sein. Jetzt, wo er darüber nachdachte, ergab es Sinn. Er hatte ihn in jener Nacht aufzuhalten versucht. Aber warum zeigte er sich nicht? Er hatte zuvor nicht den Eindruck gemacht, besonders zurückhaltend zu sein. »Komm heraus!«, rief Tristan und schwang seine Waffe. Aber niemand kam, und die Stimme erstarb im Wind. Er stand noch mehrere Augenblicke da, bis der Sturm ausbrach und es zu regnen begann. Aber er sah noch immer niemanden.
    Er spürte die Präsenz auch während der nächsten Nächte nach einer Tötung. Aber niemals kam jemand hervor.
    Schließlich erreichte er den Rand der nördlichen Wälder, die sein Anwesen von dem des Barons von Callard trennten, ein unbedeutender Adliger, dessen Vater Heinrichs Vater irgendeinen düsteren Dienst erwiesen hatte. Tristan selbst war diesem Baron aber nie begegnet. Er hatte sich bei Sonnenuntergang an einem Dieb genährt, der ihn im Schlaf ausrauben wollte. Mit etwas Glück könnte er noch in der Nacht die Grenze seiner Besitzungen erreichen. Er pfiff leise vor sich hin, zufrieden bei dem Gedanken, dass seine Suche ein Ende haben würde, und beschloss, um der Schnelligkeit willen das Risiko einzugehen, gesehen zu werden, sodass er Daimon von einem schmalen Waldweg auf die breitere Straße führte.
    Das war ein Fehler, wie sich herausstellte. Er war noch keine Stunde geritten, als er auf eine Kutsche traf, die sich gefährlich auf eine Seite neigte, weil eines der beiden Leitpferde keuchend auf der Seite im Schlamm lag. Als Tristan sein Pferd anhielt, traten ein Mann in Livree und zwei bewaffnete Soldaten um die Kutsche herum und versperrten ihm den Weg.
    »Ihr da«, befahl der Kutscher. »Steigt ab und helft uns.«
    »Ich bin kein Pferdeheiler«, antwortete Tristan. Tatsächlich bezweifelte er, dass er noch viel hätte helfen können, selbst wenn er ein Pferdeheiler gewesen wäre. Das Tier auf dem Boden hatte ein gebrochenes Bein. Der Knochen stak aus dem Fleisch hervor, und es hatte eine lange, gezackte Wunde an einer Seite. Der Dummkopf von Kutscher hatte anscheinend versucht, die Kutsche auf geradem Weg durch einen Haufen Laub und Gesträuch zu treiben, der die Straße blockierte.
    »Habe ich Euch nach Eurem Beruf gefragt?«, fragte der Mann zornig. »Wer ist Euer Herr?« Er blickte hektisch von einer Seite zur anderen, während er sprach, wie eine in eine Ecke gedrängte Ratte.
    Tristan hätte fast, ohne nachzudenken, »Heinrich von England« gesagt, aber dann erinnerte er sich an seine Kleidung. »Ich diene

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