Gefangene der Dunkelheit
hüpfte vor Aufregung. »Er kommt«, vertraute sie ihr an und schob ihre Hand in Siobhans Hand.
Bevor sie antworten konnte, trabte ein kleiner, brauner Zelter an die Spitze des Zuges, und ein kleiner, brauner Gesandter stieg ab. »Und wer seid Ihr, Mylady?«, fragte er und verbeugte sich vor ihr.
»Das sollte ich besser Euch fragen, mein Herr«, erwiderte sie und hörte überrascht, dass ihre Stimme fest klang. »Ihr reitet unter dem Banner unseres unumschränkten Königs, aber ich kenne Euer Gesicht nicht.«
»Ich bin Meister Nicholas«, antwortete er mit schmalem Lächeln, das ihr verriet, dass sie das Richtige gesagt hatte. Hinter ihr hörte sie Silas ein erleichtertes Seufzen ausstoßen. »Ich komme im Auftrag Seiner Majestät des Königs.«
»Dann seid Ihr willkommen, Meister Nicholas«, erwiderte sie und nickte so anmutig, wie Silas es sie gelehrt hatte. »Ich bin Siobhan, Lady DuMaine.«
Seine Augen weiteten sich einen Moment, aber sein Lächeln wankte nicht. »Dann spracht Ihr die Wahrheit, Mylord«, sagte er und blickte zu einem anderen Ritter zurück, der noch auf seinem Pferd saß. »Der Baron von Callard berichtete uns, er habe von Eurer Heirat gehört.«
»Tatsächlich?« Der Ritter hob sein Visier an und zeigte ein angenehmes Gesicht. »Das passt vermutlich.« Sie zwang sich, für einen Moment zu lächeln, so gut sie konnte. »Ich habe viel von ihm gehört.«
Der Baron lächelte ebenfalls, schwang sich von seinem Pferd und verbeugte sich kunstvoll vor ihr. »Dann bin ich gesegnet, Mylady«, sagte er und trat näher. »Einer solchen Schönheit bekannt zu sein, ist in der Tat eine Gunst.«
»Ich habe nie behauptet, dass Ihr mir bekannt wärt, Sir«, antwortete sie und streckte ihm ihre Hand hin. »Ich hörte nur Gerede.« Er nahm ihre Hand und küsste sie, und ein seltsam unangenehmes Zittern durchlief sie, aber sie wollte es sich nicht anmerken lassen. Wenn Sean in Bezug auf diesen Mann recht hatte, konnte er ihre letzte Hoffnung sein. »Ich muss mir noch meine eigene Meinung bilden.«
Inzwischen war der ganze Zug eingetroffen, und die Tore wurden wieder geschlossen und verriegelt, ein Geräusch, das sie erzittern ließ. »Keine Sorge, Mylady«, sagte Callard und ließ sie los, und seine großen, blauen Augen blickten hinter seinem mühelosen Lächeln ernst. »Ich denke, Ihr werdet eine gute Meinung von mir bekommen.«
»Seid vorsichtig, Baron.« Die Stimme erklang von einer vermummten Gestalt unmittelbar am Tor. »Man muss sich die Gunst der Lady hart erarbeiten und einen schrecklichen Preis dafür bezahlen.«
Tristan hatte entsetzt zugesehen, wie Siobhan Heinrichs Gesandten begrüßte, und traute seinen Augen kaum. Sein bösartiger kleiner Dämon hatte sich in eine elegante Lady verwandelt, bei der jedes Detail perfekt saß, vom Schleier, der die wilde Masse ihres schwarzen Haars bedeckte, bis zum Saum ihres Gewandes, das zu ihren Augen passte. Selbst ihr Auftreten war perfekt, so kalt und herablassend wie das jeder hochgeborenen Dame bei Hofe. Sie hatte Callard bereits als ihren Retter auserkoren und tändelte schamlos mit ihm herum, und offensichtlich war es bereits um den armen Mann geschehen. »Vertraut mir«, schloss er und schob seine Kapuze zurück. »Ich kenne sie gut.«
Siobhan hätte Angst verspüren sollen. In Wahrheit hätte kein Schicksal schlimmer sein können, als dass ihr Vampir-Ehemann mit einer königlichen normannischen Streitmacht im Rücken erschien, die ihm helfen sollte, seine Rache zu üben. Aber sobald sie seine Stimme hörte, jubilierte das Herz in ihrer Brust. »Er lebt!« Sie musste unwillkürlich lächeln, als er sein Gesicht enthüllte, nicht der geheuchelte, bezaubernde Gesichtsausdruck, den sie mit Silas vor dem Spiegel geübt hatte, sondern ihr eigenes, freudiges Lächeln. »Tristan!« Sie vergaß alles, lief zu ihm, löste dabei ihren Schleier und schleuderte die Schuhe von den Füßen.
Sie hielt unmittelbar vor ihm an, während er von seinem Pferd stieg, war aber durch den Zorn in seinen Augen wie erstarrt, mit dem er auf sie herabblickte. Als sie sich das letzte Mal begegnet waren, hatte sie ihn zu vernichten versucht. Er hatte versucht, sie zu trösten, hatte ihr geschworen, sie zu beschützen, und sie hatte es ihm gedankt, indem sie versucht hatte, ihm die Kehle durchzuschneiden. Wie konnte sie von ihm erwarten, sie nicht zu hassen? »Mylord«, flüsterte sie und streckte die Hand aus, um sein Gesicht zu berühren. »Ihr seid zurückgekehrt.«
Tristan
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