Gefangene der Dunkelheit
seine Wache, seine Herrin und einen Kutscher in derselben Nacht getötet hatte? Es schien kaum möglich. Simon hatte ihm erzählt, was er von den Bauern auf der Straße gehört hatte, und sie hatten zugestimmt, dass auf den Ländereien des Barons gewiss ein Dämon hause. Aber das konnte nicht dieser Mann sein.
»Natürlich ist er das, Dummkopf«, schalt Sir Andrew. »Ihr habt ihn selbst einhundert Mal gesehen. Ihr müsst ihn doch wiedererkennen.«
»Ich hatte das Pech, erfahren zu müssen, dass ich meinen Augen und meiner Erinnerung nicht immer trauen kann«, erwiderte der Gelehrte. »Der König hat mich auf die Suche nach nur einem Mann geschickt, einem Mann, den er als Freund und Verwandten liebt. Warum habt Ihr den Brief Eures Königs ignoriert, Mylord, wenn Ihr wirklich sein Cousin seid?«
»Weil ich im letzten Monat beinahe tödlich verletzt wurde«, antwortete Tristan und wandte den Blick gewaltsam vom Gesicht des Barons ab. »Während der König in diesem Wald ausritt, wurde ich von Briganten angegriffen …«
»Lebuin!«, rief Sir William aufgebracht. »Der Bastard!«
»Genau der«, bestätigte Tristan. »Oder zumindest glaube ich es – in Wahrheit habe ich meine Angreifer nie gesehen. Ich wurde als vermeintlich tot zurückgelassen und nahm tagelang nichts wahr. Als ich wieder erwachte, waren Simon und Orlando bei mir und haben mich gesund gepflegt.«
»Möge der Himmel Euch segnen, Mylords«, sagte Callard und verneigte sich vor Simon und Orlando. Aber Tristan hätte schwören können, ihn mit einem bösartigen Glanz in den Augen lächeln gesehen zu haben, bevor er sein Gesicht verbarg.
»In der Tat«, sagte er. Er blickte zu Simon hinüber und sah, dass dieser den Baron ebenfalls beobachtete, wobei der Ausdruck in seinen Augen nicht zu deuten war. »Aber was hat Euch dazu bewegt hierherzukommen, Baron?«
»Meine Ländereien liegen nahe bei Euren, Mylord«, sagte Callard leichthin. »Ich hörte Gerüchte darüber, dass Ihr verschwunden wärt.« Sein Ausdruck wirkte erneut düster, aber seine weiten, blauen Augen tanzten heiter. »Und noch andere Dinge.«
»Zweifellos«, sagte Simon und sprach zum ersten Mal. »Ich hörte, dass Ihr eigene Schwierigkeiten habt, Mylord.«
»Natürlich«, sagte Nicholas und lächelte über den beschwingten Rhythmus in Simons Stimme. »Lyan liegt in Irland.«
»Welche Schwierigkeiten?«, fragte Sir William neugierig und blickte zu Callard.
»Der Herzog muss von der vermeintlichen Krankheit gehört haben, die einige meiner Bauern befallen hat«, antwortete Callard. Das Lachen war aus seinen Augen gewichen und durch Traurigkeit ersetzt worden. Konnte sich Gastons Diener geirrt haben? Konnte der Baron unschuldig sein? »Aber der wahre Übeltäter wurde gefunden, ein von Dämonen besessener Mörder – zumindest schien es dem Priester so. Er wurde gehängt, und die Todesfälle haben aufgehört.« Er wandte sich wieder Christian zu. »Vielleicht hat dieser Wahnsinnige auch Euch angegriffen, Mylord.«
»Vielleicht«, sagte Tristan, der neugieriger war denn je. Simon glaubte anscheinend, es bestünde eine Verbindung zwischen dem, was auch immer die Ländereien des Barons angegriffen hatte, und seinem eigenen großen Feind Kivar. Aber Tristan sorgte sich eher um den Pakt, den dieser Mann offensichtlich mit Lebuin geschmiedet hatte. »Doch ich bezweifle es. Welche anderen Gerüchte habt Ihr über mich gehört, Callard?«
Der junge Baron lächelte und blieb von Tristans Tonfall offenbar unberührt. »Es könnte Tollheit sein, Mylord«, sagte er. »Aber ich hörte, Ihr wärt verheiratet.«
Tristan erwiderte sein Lächeln. »Ist Heiraten nicht immer eine Tollheit?« Er wandte sich Nicholas zu. »Nun, mein Herr? Seid Ihr überzeugt davon, dass ich der Mann bin, der zu sein ich behaupte?«
»Ja, Mylord.« Der Gelehrte stieg von seinem Pferd und verbeugte sich tief und elegant. »Ich hoffe, Ihr werdet mir vergeben.«
»Oh, das wage ich zu behaupten«, erwiderte Simon grinsend. »Wenn Ihr ihn zum Schloss begleitet.«
Siobhan wartete auf der breiten Steintreppe des Gutshauses, während sich der Hof mit Normannen füllte, und jeder kleinste Rest Willen, den sie aufbringen konnte, war darauf konzentriert still zu stehen. Ich bin kein kleines Mädchen mehr, sagte sie sich streng, während ihr Herz so heftig schlug, dass sie glaubte, jedermann um sie herum müsste es hören. Ich bin eine Frau, eine Kriegerin, eine Brigantin. Ich werde keine Angst haben.
Clare stand neben ihr und
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