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Gefangene der Dunkelheit

Gefangene der Dunkelheit

Titel: Gefangene der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Marie Moning
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seinen Augen? Hatte er gerade mit diesen Metallzähnen einen Hilferuf ausgestoßen? Am liebsten wäre ich weggelaufen. Doch ich konnte den Blick nicht von ihm reißen.
    Seine Augen wurden wieder pechschwarz, und der Körper zuckte krampfhaft, als hätte er den Befehl erhalten, etwas vorzuführen, wogegen er sich jedoch heftig sträubte.
    Seine Finger schlossen sich um die Ränder des Buches. Jetzt war es nicht mehr das harmlose Hardcover. Vor meinen Augen hatte es sich in den massiven, uralten tödlichen Folianten mit den verzierten Schlössern verwandelt, die alle aufsprangen. Mit einem Mal klappte das Sinsar Dubh in O’Bannions Händen auf. Ich wusste, dass das, was in dem Psychopathen noch von Derek O’Bannion übrig war, das Buch nicht aufschlagen wollte. Dieser kleine Teil wollte nichts anderes als sterben, ohne je einen Blick auf eine einzige Seite, ja nur eine Zeile zu werfen.
    Trotzdem war er gezwungen, es aufzuschlagen.
    Seine Finger fingen an zu brennen, dann standen seine Hände in Flammen, und er schrie.
    Das züngelnde Feuer breitete sich über die Arme, die Brust und den Bauch bis zu den Beinen aus und verschlang sein Gesicht. Plötzlich glühte Derek O’Bannion weiß und verwandelte sich in Asche, die explodierte und etwa drei Meter weit in alle Richtungen spritzte.
    Ich wischte hektisch die Asche von mir, zupfte sie aus den Haaren und spuckte sie von meinen Lippen.
    Ein eisiger Windstoß verstreute alle Spuren von Derek O’Bannion.
    Das Sinsar Dubh fiel mir vor die Füße.
    Aufgeschlagen.

FÜNFUNDZWANZIG
    Als ich heranwuchs, kannte ich meine Grenzen.
    Ich war hübsch genug, dass mich einer der coolen Sportskanonen in meiner Klasse zum Abschlussball begleitet hätte, aber ich hatte nie den Quarterback ins Auge gefasst.
    Ich war klug genug, um durchs College zu kommen, aber ich würde nie eine Gehirnchirurgin werden.
    Ich konnte mein eigenes Alu-Fahrrad von dem Gestell in der Garage heben, aber das Rad meines Vaters, das er seit seinem Studium besaß, konnte ich nicht von der Stelle bewegen.
    Es ist beruhigend, wenn man seine Grenzen kennt. Der Bereich zwischen den Grenzen war eine Sicherheitszone. Die meisten Menschen finden ihre Sicherheitszone und bleiben dort für den Rest ihres Lebens. Ich hatte gedacht, einmal ein solches Leben zu führen.
    Es gibt einen schmalen Grat zwischen Dummheit und dem Wissen, dass man die Grenzen austesten muss, um wirklich zu leben.
    Und auf diesem Grat balancierte ich gerade.
    Das Sinsar Dubh lag offen vor meinen Füßen.
    Seit es auf dem Asphalt aufgekommen war, vermied ich, einen Blick darauf zu werfen. Nicht nach unten schauen, nicht nach unten schauen – das war mein Mantra.
    Nur das Aufschlagen hatte O’Bannion in Brand gesetzt.
    Was würde dann erst mit mir passieren, wenn ich mir die Seiten ansah?
    Ich flüsterte Barrons’ Namen. Ich merkte selbst, wie absurd das war. Dachte ich, dass mich das Buch nicht bemerkte, wenn ich so wenig Lärm wie möglich machte?
    Hallo! Es hatte mich zur Kenntnis genommen. Genau genommen war ich sein einziger Fokus. Es hatte mit mir gespielt, seit ich es heute Nacht aufgespürt hatte.
    Machte es das nur mit mir, oder behandelte es alle so, die in seine Nähe kamen?
    Â»Barrons«, schrie ich, »wo stecken Sie, zum Teufel?«
    Mein Echo hallte durch die unheimlich stille Nacht.
    Ich starrte beharrlich geradeaus und versuchte, das Ding zu meinen Füßen mit meinem Sidhe-Seher-Bewusstsein zu finden.
    Geschafft!
    Aber es war … schwerfällig.
    Ich bekam nichts zu lesen. Blieb ich verschont wegen des Steins in meiner Hand? Weil es mich hinters Licht geführt hatte wie alle anderen auch? Weil es sich maskierte, als wäre es überhaupt nichts Besonderes?
    Alles war möglich. Es gab zu viele Unbekannte. Ich hatte mich geirrt. Ich balancierte nicht auf dem Grat zwischen Dummheit und dem Wissen, dass man Grenzen austesten musste. Hier breitete sich zu beiden Seiten Dummheit meilenweit aus. Ich musste über einen geraden, schmalen Pfad auf dem Grat zurückweichen.
    Ich würde auf Barrons warten. Kein Risiko eingehen.
    Ich trat einen Schritt zurück. Noch einen. Dann einen dritten. Mein Absatz verfing sich in irgendetwas; ich stolperte und fiel.
    Instinktiv versuchte ich, das Gleichgewicht zu halten, streckte beide Hände aus und sah auf den Boden.
    Â»Scheiße!«, entfuhr es mir, und ich riss den

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