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Gefangene der Dunkelheit

Gefangene der Dunkelheit

Titel: Gefangene der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Marie Moning
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auf ein Wunder.
    Ich schätze, ich hatte gehofft, dass mich ein magisches Transportmittel abholen und in den Buchladen zurückbringen würde. Oder dass Barrons vor mir auftauchte und mich rettete.
    Ich wartete.
    Nichts geschah. Überhaupt nichts.
    Ich war auf mich allein gestellt.
    Der Keiler senkte drohend den Kopf. Ich schaute sehnsüchtig zu dem Lederbeutel, der etliche Meter hinter der Bestie im Gras lag.
    Er scharrte und trat von einem Hinterfuß auf den anderen. Ich wusste, was das bedeutete. Katzen tun das, bevor sie einen Satz machen.
    Ich scharrte auch, verlagerte mein Gewicht von einem Knie aufs andere und gab ein wütendes Knurren von mir. Ich war wütend.
    Das Wildschwein blinzelte und grunzte.
    Ich grunzte zurück und scharrte wieder im Gras.
    Eine Pattsituation.
    Plötzlich sah ich mich selbst aus der Vogelperspektive.
    So weit war es mit mir gekommen: MacKayla Lane-O’Connor, Abkömmling einer der mächtigsten Sidhe- Seher-Familien, Feenobjekt-Detektor, Lun, einst eine Pri-ya , jetzt immun gegen fast jeden Feen-Glamour – schmutzig, nass mit verbeultem MacHalo und angesengten Stiefeln –, kauerte auf allen vieren im Gras vor einem wilden Keiler. Sie hatte keine Waffe außer ihrer Wut, der Hoffnung auf ein besseres Morgen und der Entschlossenheit, am Leben zu bleiben. Ich wackelte mit dem Hinterteil und scharrte im Gras.
    Ich spürte, wie sich ein Lachen in mir aufbaute wie ein Nieser, und strengte mich an, es zu unterdrücken. Meine Lippen zuckten. Meine Nase juckte, und mein Bauch tat weh, weil ich mir das Lachen verbiss.
    Ich verlor den Kampf. Es war alles zu viel. Ich hockte mich auf die Fersen und lachte.
    Das Wildschwein wurde unruhig.
    Ich stand auf, starrte den Keiler unverwandt an und lachte noch lauter. Irgendwie sind die Dinge nicht mehr so angsteinflößend, wenn man aufrecht steht.
    Â»Verpiss dich«, sagte ich. »Was willst du von mir?«
    Der Keiler beobachtete mich wachsam, und mir wurde klar, dass dies kein mystisches Geschöpf war. Es war einfach nur ein wildes Tier.
    Ich hatte viele Geschichten von Menschen in den Bergen von North Georgia gehört, die wilde Tiere durch Bluffs in die Flucht geschlagen hatten. Das konnte ich auch.
    Ich trat einen entschlossenen Schritt auf das Tier zu und schüttelte drohend die Faust. »Verschwinde von hier! Hau ab! Geh weg! Heute werde ich nicht sterben, du Blödmann. Verschwinde!«
    Der Keiler drehte sich kurzentschlossen um und schlich – soweit ein 500 -Kilo-Wildschwein das konnte – über die Wiese.
    Ich war überrascht – nicht weil das Tier den Rückzug antrat.
    Mein letzter Befehl kam mir mit tausend Stimmen, die immer noch in der Luft vibrierten, über meine Lippen.
    Ich hatte den Stimmenzauber angewandt!
    Ich hatte keinen Schimmer, ob meine Furchtlosigkeit und die Drohgebärden den Keiler in die Flucht geschlagen hatten oder meine Worte. Ich meine – kannman jemanden, der kein Englisch versteht, mit tausend Stimmen zu etwas zwingen? Im Grunde war das gleichgültig; wichtig war nur, dass ich den Zauber genutzt hatte! Und die Stimmen klangen riesig.
    Wie hatte ich das gemacht? Was hatte ich in mir gefunden? Ich versuchte, mir ins Gedächtnis zu rufen, was ich getan, was ich gefühlt und gedacht hatte, als ich den Keiler angeschrien hatte.
    Allein.
    Ich hatte mich vollkommen allein gefühlt und gedacht, dass es außer mir und meinem drohenden Tod nichts mehr gab.
    Der Schlüssel zum Stimmenzauber, hatte Barrons gesagt, ist der Platz in Ihrem tiefsten Inneren, den niemand sonst berühren kann.
    Sie meinen den Sidhe-Seher-Platz?, hatte ich gefragt.
    Nein, einen anderen. Alle Menschen haben einen solchen Platz, nicht nur die Sidhe-Seherinnen. Wir werden allein geboren und sterben allein.
    Â»Ich verstehe«, sagte ich laut.
    Egal, mit wie vielen Menschen ich mich umgab oder wie viele Freunde und Verwandte mich liebten, ich war allein – allein im Augenblick der Geburt und im Augenblick des Todes. Niemand kommt und niemand geht mit einem. Es war eine Reise nur für einen allein.
    Das stimmte nicht ganz. Weil an diesem Platz in mir etwas war. Im Gegensatz zu früher hatte ich es gerade gespürt. Vielleicht sind wir bei der Geburt und beim Tod nahe dran, rein zu sein. Möglicherweise sind wir nur dann still genug, um zu fühlen, dass es etwas Größeres als uns gibt, etwas, was immer schon war und immer sein

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