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Gefangene der Dunkelheit

Gefangene der Dunkelheit

Titel: Gefangene der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Marie Moning
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vorbei. Die gelben Augen waren nur noch schmale Schlitze, und das Vieh knurrte.
    Es war mir so nahe, dass ich seinen heißen Atem spürte, der nach frischem Blut roch. Ich starrte es aufgebracht an. Es hatte vertikale Pupillen, die sich in den gelben Augen weiteten und verengten. Es schnaubte vor Wut, und seine Brust hob und senkte sich heftig, während es keuchte und unablässig knurrte.
    Als es sein Gewicht nach vorn verlagerte, schüttelte es den Kopf und schnappte. Speichel- und Blutstropfen trafen mich.
    Ich ekelte mich, wagte aber nicht, sie wegzuwischen.
    Plötzlich setzte es sich wieder in Bewegung, und zwar mit einer solchen Eleganz, dass ich es für einen bizarren Moment sogar … schön fand. Das Ding war der geborene Vollstrecker. Es beherrschte sein Spiel. Es war kräftig und animalisch, und es hatte Ziele im Leben. Es war geboren, um zu töten, zu erobern, sich fortzupflanzen und zu überleben. In diesem eigenartigen Augenblick beneidete ich es fast.
    Es umkreiste mich, die Krallen an den Pfoten rissen Grasbüschel aus dem Boden; es warf den Schädel von einer Seite auf die andere, die gelben Augen blitzten blutrünstig.
    Ich drehte mich um die eigene Achse und ließ es nicht aus den Augen. Ich schaute ihm in die tödlichen Augen, als könnte ich es in Schach halten, wenn ich nur keine Schwäche zeigte. War dies das Vorspiel für ein Gemetzel? Mit dem Keiler hatte er das nicht gemacht.
    Es blieb stehen, neigte den gehörnten Kopf und sein monströses Gesicht zur Seite und schnüffelte in meine Richtung.
    Was, zum Teufel, hatte es vor? Ich hielt die Luft an und hoffte, dass ich ungenießbar roch. Die Zähne – guter Gott, diese Zähne waren so lang wie meine Finger!
    Ihm schien nicht zu gefallen, was es roch. Der Geruch machte es noch wütender. Es grollte lang und tief, dann machte es unvermittelt einen Satz!
    Ich hielt den Dolch fest in der Hand und wich nicht vom Fleck. Unsere Aktionen charakterisieren uns. Ich würde entweder weiterleben oder kämpfend sterben.
    Aber ich bekam keine Gelegenheit zu kämpfen.
    In der letzten Sekunde heulte das Monster auf und drehte sich in der Luft.
    Ich sah nur eine verschwommene Bewegung. In einem Augenblick stürzte es sich noch auf mich, im nächsten stürmte es durchs Gras auf das Wildschwein zu. Es schlug die großen Zähne in das Fleisch des Keilers und riss mit einem vehementen Kopfschütteln ein großes Stück heraus, dann fing es an zu fressen. Knochen knirschten, Knorpel knackten.
    Im ersten Moment war ich bewegungsunfähig. Ich zitterte heftig und war nicht sicher, ob mich meine Beine tragen würden. Zudem hatte ich zu viel Angst, um einen klaren Gedanken zu fassen.
    Meine Mobilität kehrte mit einem Adrenalinschub zurück.
    Ich flitzte los, holte mein Handy und rannte wie der Teufel.

FÜNFUNDDREISSIG
    Einige Zeit später saß ich auf einer Lichtung im hohen Gras zwischen Bäumen mit weißer Rinde, an einen Stamm gelehnt, und versuchte, meine Lage zu analysieren. Ich hatte eine knappe halbe Stunde gebraucht, um dem Zittern Herr zu werden. Am liebsten wäre ich so weit wie möglich vor dem erschreckenden Monster davongelaufen, aber ich brauchte die vermaledeiten Steine.
    Dieser Tag hatte sich nicht im Entferntesten nach meinem Plan entwickelt. Mir fiel es schwer, zu akzeptieren, wohin es mich verschlagen hatte und was mir hier widerfuhr.
    Den Nachmittag hatte ich mit einem klaren Vorhaben begonnen: Ich war mit durchaus vernünftigen Erwartungen (o Gott, zeigte das, wie verdreht meine Welt inzwischen war?) in einen Spiegel gestiegen, um auf der anderen Seite unser Wohnzimmer in Ashford zu betreten und meine Eltern – mit Barrons’ Hilfe – aus den Fängen des Lord Master zu befreien oder bei dem Versuch mein Leben zu lassen.
    Und jetzt steckte ich in einer fremden Welt innerhalb des Spiegelnetzwerks fest – in dem man, wie Barrons meinte, nicht selbst navigieren und für immer verlorengehen konnte – und wurde von einem Raubtier nach dem anderen angegriffen.
    Ich war auf absurde, gefährliche Abwege geraten. Die Dinge hatten eine unerhörte Wendung genommen, undich hatte das Gefühl, ich schlitterte auf eine von Alices Kaninchenhöhlen zu.
    Zuzusehen, wie die Feenwesen in Dublin einmarschierten und meine Welt an sich rissen, und sie in meinem Terrain zu bekämpfen war eine Sache. Eine ganz andere

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