Gefangene der Dunkelheit
ob mit einer menschlichen oder mit einer Feenwaffe.
»Ah ja, du hast dich verändert.« Vâlane betrachtete mich forschend. »Ist das möglich?«, murmelte er.
»Was?«, hakte ich nach. Mir gefiel es nicht, wie er mich ansah. Faszination in einem Feenblick verhieà nie etwas Gutes.
»Schau mich an. Ja, ich glaube, dass du das kannst.« Vernahm ich da widerwillige Hochachtung in seiner Stimme? Er leuchtete auf und war plötzlich ein anderer.
An dem Morgen in der Kirche hatte ich ganz ähnliche Gestalten gesehen, als die drei Unseelie-Prinzen mich eingekreist und ihre Erscheinungsbilder ständig verändert hatten. Mein Gehirn war nicht imstande gewesen, das, was ich sah, zu verarbeiten, und ich hatte angenommen, Feenwesen hätten mehr Dimensionen, als Menschen jemals begreifen konnten.
Anders als die Unseelie-Prinzen wechselte Vâlane nicht von einer Gestalt zur anderen. Er blieb immer gleich â zumindest dachte ich das. Er veränderte sich nicht. Stagnation und Veränderung, das sind die beiden Zustände, nach denen Feenwesen alles beurteilten. Wenn zum Beispiel ein Mensch stirbt â oder, wie sie sagen, »aufhört zu existieren« â, dann nehmen sie den Verlust nicht wahr, sondern sehen nur eine »Veränderung«. Sie sind eiskalte Mistkerle.
Meine Augen sahen Vâlane, doch mein Gehirn konnte ihn nicht erfassen. Wir haben nur die Wörter entwickelt, die wir brauchen, und so etwas haben wir nie gesehen. Energie, aber multidimensional? Ich verstand nicht das mindeste von Dimensionen und wusste nur das wenige, was wir in der Schule über Raum, Zeit und Materie gelernt hatten. Mein Verstand strengte sich an zu kapieren, was ich vor Augen hatte ⦠dehnte sich aus ⦠riss beinahe entzwei bei dem Versuch, die Gestalt in einen Rahmen zu pressen, den ich kannte. Mir gelang es nicht, und je mehr ich es versuchte, umso verzweifelter wurde ich. Das wiederum stachelte mich mehr an, und ich fühlte mich noch schlechter. Es war ein Teufelskreis und eskalierte schnell. Hör auf zu kämpfen, sagte ich mir. Versuch nicht ständig, alles zu definieren â sieh es dir einfach an.
Der Druck lieà nach. Ich schaute nur noch.
»Du nimmst mich in meiner wirklichen Gestalt wahr. Sterbliche können das nicht, ihr Verstand geht in Stücke, wenn sie es versuchen. Gut gemacht, MacKayla. War es das nicht wert? Wenn du die Gelegenheit hättest, würdest du dann nicht alles wieder genauso machen?«
Galle stieg mir in die Kehle. Und der Preis wäre ein Stück meiner Seele? Glaubte er allen Ernstes, dass ichmich noch einmal für das, was mir an Samhain widerfahren ist, entscheiden würde, wenn ich die Wahl hätte? Dass Dublin in die Hand des Feindes fiel, dass die Mauern einstürzten, die Unseelie befreit wurden, man mich vergewaltigte und in ein Tier verwandelte, das erst von Dani, dann von Barrons gerettet werden musste â all das sollte ich freiwillig wählen? »Ich würde mich niemals dafür entscheiden!« Ich war nicht die Einzige, die gelitten hatte. Wie viele Menschen waren in dieser Nacht und später getötet worden?
Vâlane nahm wieder die Gestalt eines Menschen an. »Ehrlich? Auch nicht für diese Macht? Du bist immun gegen mich â einen Feenprinzen. Unempfänglich für den sexuellen Glamour. Du kannst meine wahre Gestalt betrachten, ohne den Verstand zu verlieren. Du kannst Bannzauber überwinden. Ich frage mich, was du sonst noch alles vermagst â was für eine Kreatur du geworden bist.«
»Ich bin keine Kreatur. Ich bin ein Mensch und stolz darauf.«
»Ah, MacKayla, nur ein Narr würde jetzt noch sagen, dass du ein normaler Mensch bist.« Er verschwand, aber seine Stimme blieb: »Dein Speer ist in der Abtei ⦠Prinzessin.« Gelächter tanzte in der Luft.
»Ich bin keine Prinzessin«, fauchte ich, dann stutzte ich. »Und woher weiÃt du, wo mein Speer ist?«
»Barrons nähert sich.« Diese Worte waren kaum hörbar in der kühlen Morgenbrise. Ein warmer Windstoàâ ein Gegensatz zu dem kalten Wintertag â traf auf mich und liebkoste meine Brüste.
Ich knöpfte meine Jacke zu. »Bleib mir vom Leibe, Vâlane, auch wenn du nur heiÃe Luft bist.«
Mehr Gelächter. »Geh nach Südosten, MacKayla,und zwar schnell, es sei denn, du willst den sehen, der dich
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