Gefangene der Dunkelheit

Kopf. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man einen MacHalo trug und einen Speer festhalten musste.
    Sie hatten mich überrumpelt.
    Diese Jäger waren nicht nur größer, sondern auch anders als die, die mir bisher begegnet waren. Gab es unterschiedliche Typen? Hatte der Unseelie-König, als er seine Experimente gemacht und die Dunkle Spezies geschaffen hatte, verschiedene Variationen eines Themas erprobt? Waren manche Exemplare einer Kaste tödlicher und mächtiger als andere? Die Mistkerle hätten mir fast den Schädel gespalten mit ihrer Drohung. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Von jetzt an würde ich bei jedem Feenwesen, das mir über den Weg lief, mit äußerster Vorsicht vorgehen und ins Kalkül ziehen, dass sie vollkommen anders reagieren können als ihre Artgenossen. Das ärgerte mich. Ein Messer sollte ein Messer bleiben. Lebte ich in einer Welt, in der ein Messer auch eine Granate sein konnte? Ich musste wohl oder übel Vermutungen anstellen und immer mit dem Unerwarteten rechnen.
    Die Jäger hatten mich vielleicht äußerlich in die Kniegezwungen, aber mein Geist war nicht gebrochen. Ich suchte die dunkle Höhle in meinem Bewusstsein, in die ich mich vor kurzem noch als Tier zurückgezogen hatte. Versuchte’s doch, ihr Blödmänner, brüllte ich ihnen entgegen.
    Wieder schrien sie. Ich hörte den Schmerz in diesen Lauten und lächelte. Mülltonnendeckel fielen scheppernd auf den Asphalt. Abfall traf mich am Kopf und den Schultern. Und plötzlich wurde alles still.
    Die Jäger waren verschwunden.
    Ich hob den Kopf und sah, wie zwei geflügelte Gestalten vor dem Mond vorbeiflogen. Ein unheimlicher Anblick. Insbesondere, weil der Mond am Rand hochrot gefärbt war – es sah aus wie ein Hof aus Blut.
    Veränderten sich die Bereiche der Feen und der Menschen, wenn sie ohne Trennmauer nebeneinander existierten? Bluteten die Dimensionen ineinander und beeinflussten sich gegenseitig? Wie sah unsere Welt in ein paar Monaten aus? Oder in ein paar Jahren?
    Ich stand auf und bemerkte, dass Jayne auf meinen Speer starrte.
    Â»Das ist eine der Waffen, von denen Sie bei unserem Tee gesprochen haben«, stellte er fest. »Mit ihr kann man Feenwesen töten.«
    Ich neigte den Kopf. Mir gefiel sein Blick nicht.
    Â»Wir haben noch nie versucht, einen dieser Teufelsdrachen herunterzuholen.«
    Â»Das sind Jäger«, belehrte ich ihn. Eine Ironie und durchaus passend, dass gerade er sein Äquivalent aus dem Feenreich aufs Korn genommen hatte. »Sie sind Hüter der Feengesetze. Und obschon sie Unseelie sind, arbeiten sie für beide Reiche – es kommt darauf an, wer sie besser bezahlt.«
    Ich sah Amüsement in seinen Augen aufblitzen, ehe er wieder meinen Speer fixierte.
    Meine Hand schloss sich fester um den Griff.
    Â»Wir wissen, dass wir sie nicht einsperren können wie andere. Sie sind zu groß. Aber mit diesem Speer könnten wir sie töten.«
    Â»Einsperren? Sie sperren Unseelie ein? Wie machen Sie das?«
    Â»Wir haben einige Zeit gebraucht, um die Methode zu entwickeln. Als Sie mir die Augen geöffnet hatten, habe ich mich mehr mit alten Legenden beschäftigt. Wir Iren haben viele davon. Ich stolperte immer wieder über Geschichten, in denen es heißt, dass die Altehrwürdigen Eisen nicht vertragen können. Ich dachte, wenn Silber Werwölfe und Weihwasser und Knoblauch Vampire verletzen können, dann kann Eisen vielleicht den Feenwesen schaden.«
    Â»Und, trifft das zu?«, fragte ich.
    Â»Bis zu einem gewissen Grad. Es scheint, als würde Eisen ihre Macht und Stärke beeinflussen. Je reiner das Eisen ist, umso besser. Stahl wirkt nicht so gut.« Er nahm seinen Helm ab und zeigte mir die Innenseite. »Wir füttern sie mit einer Eisenschicht. Bevor wir erfuhren, was Ihre sogenannten Jäger tun können, haben wir ein paar gute Männer verloren.«
    Â»Eisen hält die Jäger davon ab, in Ihren Kopf vorzudringen?« Ich würde meinen MacHalo umrüsten, sobald ich Eisen in die Finger bekam!
    Â»Nicht ganz. Es dämpft ihre Kraft; man kann ihre Telepathie überleben. Wir alle haben gehört, was Sie gehört haben. Es war nur nicht so schmerzhaft. Aber wir haben uns daran gewöhnt, dass sie versuchen, uns zu schaden. Wir tragen überall Eisen. Um den Hals, inunseren Taschen und so weiter. Und wir stellen unsere Kugeln auch aus Eisen her.