Gefangene der Flammen
leere Magmakammer darüber. Tiefe Spalten in dem gehärteten schwarzen Fels gaben den Blick auf glühende, orangefarbene Lava frei, die ruhelos in darunterliegenden Tümpeln brodelte und die die Kammer mit einem schwachen, orangefarbenen Licht erfüllte.
Die Erde unter seinen Füßen grollte, und der Boden machte einen jähen Satz, der ihn fast aus dem Gleichgewicht brachte. Dampf drang aus den orange glühenden Ritzen im Boden der Kammer, und mit ihm stieg der vertraute, faulige Gestank des Bösen auf.
Dax’ Muskeln verkrampften sich. An das Grollen und die Bewegungen des Berges hatte er sich im Laufe der Jahre gewöhnt, aber das hier war etwas anderes. Der Vulkan erwachte. Und es war Mitro, der ihn weckte.
Eine weitere Druckwelle erfasste Dax und warf ihn auf die Knie. Der Boden schlingerte und schwankte. Dax stützte sich ab und sandte Fühler in die Erde, um zu versuchen, seinen uralten Feind zu finden. Doch das gesamte Innere des Vulkans war von dem anhaltenden, öligen Verwesungsgestank des Vampirs durchdrungen, was es Dax unmöglich machte, das Böse zu seiner Quelle zurückzuverfolgen. Mitro war hier und arbeitete daran, sich von seinen Fesseln loszureißen und die explosive Kraft des Vulkans zu nutzen, um sich zu befreien.
Zu viele Jahre hatte Mitro Daratrazanoff gekämpft, um seinem Gefängnis zu entkommen. Dax hatte ihn durch die Höhlen und Tunnel des Vulkans verfolgt, ihn gejagt, ihn aufgespürt und ihn bekämpft. Und genauso viele Jahre hatte Mitro zuerst seine Seelengefährtin Arabejila und dann ihre Nachkommen verflucht, die alle fünf Jahre zu dem Vulkan gepilgert waren, um Mitros Gefängnis zu verstärken und ihn darin festzuhalten, bis Dax ihn endlich töten konnte. Ohne Dax, der ihn unaufhörlich jagte und bekämpfte, und Arabejila und ihre Nachfahrinnen, die regelmäßig die Kraft von Mitros Fesseln erneuerten, wäre der Vampir schon längst entkommen, um unvorstellbare Verheerungen in der Welt dort draußen anzurichten.
Leider war der von Arabejilas Nachfahrinnen verhängte Bann in den letzten paar Jahrzehnten schwächer geworden. Ihre Erneuerungsrituale verliehen den Banden nicht mehr die gleiche diamantene Stärke wie zuvor. Und mit den schwächer werdenden Banden waren Mitros Fluchtversuche dem Erfolg näher gekommen. Bei den letzten drei Malen war Arabejilas Nachfahrin gerade noch rechtzeitig erschienen, um die Bande nur wenige Tage oder sogar Stunden zu erneuern, bevor Mitro hatte fliehen können.
Ein ungutes Gefühl kroch Dax über den Rücken. Nach der zunehmenden Aktivität des Vulkans zu urteilen, hatte Mitro bereits eine ausreichend große Lücke in seinen Gefängniswänden gefunden, um Einfluss auf die Außenwelt zu nehmen. Das verhieß nichts Gutes. Mitro musste diesmal viel früher erwacht sein als Dax. Er war stärker geworden – zu stark.
Besorgt sandte Dax seine Sinne aus und suchte nach dem Schauer der Erkenntnis, der ihn auf die Anwesenheit eines anderen Karpatianers hinzuweisen pflegte. Er hatte sich diese Erkenntnis über die Jahre zunutze machen können, um die Fortschritte Arabejilas und ihrer Nachfahrinnen zu verfolgen, wenn sie sich wieder einmal auf dem Weg zu dem Vulkan befanden. Mühelos durchdrangen seine Sinne Fels und Erde und schwärmten in den Himmel über dem Vulkan und über den dichten, tropischen Dschungel aus.
Nach einigen langen Minuten der Suche fand er Arabejilas Nachfahrin. Sie näherte sich dem Berg, wie sie es in den letzten Jahrhunderten – Gott allein wusste, wie viele es waren – alle fünf Jahre getan hatte, doch sie hatte noch viele Stunden Weg vor sich. Es war unmöglich, dass sie es noch schaffen würde. Die Frau war noch viel zu weit entfernt, und Mitro war zu stark geworden.
Dax war als der größte Jäger der karpatianischen Spezies betrachtet worden, und dennoch war Mitro ihm bei jedem Kampf entkommen. So lange ohne Blut zur Nahrung in der Erde eingesperrt zu sein hätte beide schwächen, ja möglicherweise sogar töten müssen, aber wie Dax hatte auch Mitro einen Weg gefunden, zu überleben und stärker zu werden. Der intensive Druck, die Hitze und schwierigen Lebensbedingungen hatten beide verändert. Falls Mitro jetzt entkam, würde nichts und niemand stark genug sein, um ihn aufzuhalten.
Dax durfte ihn auf keinen Fall entkommen lassen.
Das unaufhörliche Gewisper wurde stärker und fordernder. Seit Monaten, selbst wenn er schlief, hörte er die Stimmen in seinen Ohren, einen nicht endenden Chor von Stimmen, die ihn
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