Gefangene der Flammen
vor. In ihre tiefsten Winkel, wo er die lebenslange Einsamkeit des Karpatianers sah, seine Freunde und anderen Jäger, die sich dem Bösen anheimgegeben hatten – die Kameraden, die Dax gefürchtet und gemieden hatten, nachdem sie gemerkt hatten, dass er vorhersehen konnte, wer von ihnen kurz davor war, zum Vampir zu werden. Er hatte es immer schon vor ihnen gewusst und war in ihrer Nähe geblieben, um sie zu töten, bevor sie anderen hatten schaden können.
Der Alte fand Dax’ Erinnerungen an die Freunde, die er geliebt und an Mitro Daratrazanoffs Schlechtigkeit verloren hatte. An die Familie, die ihn aufgenommen hatte, nachdem seine eigenen Eltern von einem weiteren Freund, der zum Vampir geworden war, getötet worden waren. Auch Dax’ inzwischen längst vergessenen Wunsch nach einer eigenen Seelengefährtin entdeckte der alte Drache. Wie die Erinnerung an die schöne Arabejila, die ihm mehr Jahre seines Lebens eine Freundin und Gefährtin gewesen war, als ein ungebundener Karpatianer es zu erdulden haben sollte. Und trotzdem war mit ihr alles erträglicher geworden. Die Jahre hatten nicht mehr so schwer auf ihm gelastet. Die Gefühle, die er mit zunehmendem Alter verloren hatte, schienen immer in Reichweite gewesen zu sein, wenn sie in seiner Nähe gewesen war. Er hatte sie stets bewundert, ihre Freundlichkeit gewürdigt und ihre stille Kraft geschätzt. Und Arabejila war stark gewesen, auf ihre eigene Weise nicht weniger als er, und hatte das zerstörte Leben ertragen müssen, das Mitro ihr hinterlassen hatte.
Nicht ein einziges Mal hatte Dax eine Klage von ihr gehört. Oh, natürlich hatte er gesehen, wie ihre Augen sich vor Kummer verdunkelten, und sie manchmal leise weinen gehört, wenn sie geglaubt hatte, er schliefe. Aber sie hatte sich nie beklagt. Genauso wenig, wie sie ihm jemals vorgeworfen hatte, dass er Mitro nicht getötet hatte, als sich ihm die Möglichkeit geboten hatte.
Dax hatte stets gewusst, dass mit Mitro Daratrazanoff etwas nicht stimmte. Er war immer in seiner Nähe geblieben und hatte darauf gewartet, dass die zunehmende Dunkelheit in Mitros Seele eines Tages voll und ganz Besitz von ihm ergriff. Als Mitro Arabejila dann als seine Seelengefährtin erkannt hatte, hatte Dax geglaubt, sie sei sicher und die Macht dieser Verbindung würde Mitro vom Abgrund fernhalten und heilen, was in ihm zerbrochen war.
Stattdessen hatte sie das Monster erst richtig entfesselt. Und Dax, der sich in falscher Sicherheit hatte wiegen lassen, hatte nicht so gut aufgepasst, wie er es hätte tun sollen – und getan hätte, wenn Arabejila nicht Mitros Seelengefährtin gewesen wäre. Er hatte sie für stark genug gehalten, Mitro zu heilen, wie sie alles und jeden allein schon mit ihrer Gegenwart zu heilen wusste.
Sie war eine Tochter der Erde. Wieder dröhnte die Stimme des Drachen durch Dax’ Kopf und hämmerte von innen gegen seinen Schädel.
»Ja«, bestätigte er. »Und mit stärkeren Gaben versehen als jeder andere, den ich kannte.«
Sie hat dich zu mir geschickt.
»Nein, Alter. Sie ist tot. Sie ist vor langer Zeit gestorben.«
Sie ist von der Erde. Sie und ihre Töchter. Sie hat dich zu mir geschickt. Und jetzt schickt sie eine Tochter zu dir.
Es überraschte Dax, dass der Drache von der Ankunft von Arabejilas Nachfahrin wusste. Aber wieso eigentlich? Schließlich war der Drache schon viel länger in diesem Berg begraben gewesen als er selbst. Der Alte war zu dem Berg geworden – sein Fleisch zu einem Teil des Felsgesteins und sein Feuer zu dem des Vulkans.
»Diese Tochter wird nicht rechtzeitig hier eintreffen. Deshalb bitte ich dich: Falls du Kraft zu geben hast, verleihe sie mir jetzt! Wenn ich den Vampir nicht aufhalten kann, wird er die Welt zerstören. Also sag mir, Alter: Wirst du mir nun helfen oder mich behindern? Die Zeit wird knapp. Entscheide dich!« Dax holte tief Luft und ließ seine Barrieren fallen, öffnete dem Drachen sein Herz und seine Seele und ließ ihn alles sehen, wofür Arabejila und er all diese Jahre gekämpft hatten, alles, was er geliebt und verloren hatte, alles, woran er glaubte, und alles, wofür er kämpfte.
Als der Drache seinen Geist geplündert hatte, hatte die Macht des Alten die von Dax getestet, seine Kraft die seine, und jetzt drang des Drachen Seele in die seine ein, entblößte ihn bis auf den Kern seines Wesens und untersuchte ihn mit rücksichtsloser Gründlichkeit.
Dax hatte das Gefühl, in den Feuern der Hölle zu ertrinken. Vorher, als die Lava
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