Gefangene der Flammen
heftiger Stoß ging durch den Berg und riss die Männer von den Füßen. Da Rileys Hände so tief in der Erde steckten, spürte sie das Aufwallen des Feuers im Berginneren. Die Explosion würde die Spitze des Berges losreißen und kilometerweit alles in Schutt und Asche legen. Niemand würde sicher sein, nicht einmal der Archäologe mit seinen Studenten und die Träger, die sie fortgebracht hatten. Sie würden ebenso betroffen sein wie jedes Tier und jeder Eingeborene im Umkreis von vielen Kilometern. Riley konnte nur noch versuchen, die ungeheure Macht des Vulkans zu besänftigen oder, falls das misslang, sie von den anderen abzuwenden und die Eruption umzuleiten, falls so etwas überhaupt möglich war.
»Feuerflamme, zeig dein Licht
und brenne hell in meiner Sicht,
damit ich sehen kann, wo ich beginnen muss!
Bring mir Licht, wo Feuer brennt,
damit ich es binden und umleiten kann!«
Mit ihrer weichen Stimme skandierte sie die Worte. Dabei hatte sie die Hände noch immer tief in der Erde vergraben, wo sie den Boden streichelte und beruhigte, während sie sich langsam zu der aufgewühlten Masse aus Gasen und geschmolzenem Gestein vortastete.
»Wir müssen weg von hier!«, schrie Ben. »Sofort! Das Ding geht jeden Moment in die Luft.«
Jubal und Gary hielten ihn jedoch unerbittlich innerhalb des Kreises fest.
»Vor einem Vulkan kann man nicht davonlaufen«, meinte Gary schulterzuckend. »Riley ist jetzt unsere einzige Hoffnung. Ich habe keine Ahnung, wie sie es macht, aber der Berg reagiert anscheinend auf sie.«
»Was zum Teufel kann sie denn schon tun?«, versetzte Ben.
Riley ignorierte die Männer und ließ Macht und Energie in die Erde einfließen. Der Boden schwankte und bebte unaufhörlich, und sie konnte jetzt tatsächlich eine sich erhebende Kraft wahrnehmen.
»Feuer, führ mich zu dem Licht
und lenke meine Hand im Kampf heut Nacht!
Zeig mir, wie ich mein Feuer finde, damit ich diese vulkanische Macht umleiten kann!«
Riley wusste, dass sie den Ausbruch nicht mehr verhindern konnte, doch sie spürte zumindest schon die Reaktion des Berges auf sie. Jetzt musste sie ihre ganze Kraft und Energie einsetzen, um den Vulkan zu zügeln und die Eruption von den anderen wegzulenken – und das bedeutete, dass sie das Böse loslassen musste, dass sie so fest umklammert hielt. Sie schloss die Augen und rang sich zu der Entscheidung durch. Wenn sie alle starben, würde das Übel ohnehin entkommen. Abrupt öffnete sie die Hände und zog sie zurück. Gleichzeitig sandte sie ein stummes Stoßgebet zum Himmel, dass die Fesselung sogar einen Vulkanausbruch überstehen möge.
Sofort spürte sie das Echo großer Schadenfreude und höhnischen Gelächters. Aber dieses Scheitern durfte keine Rolle spielen. Jetzt ging es nur noch darum, den Vulkan zu beruhigen, den Ausbruch abzuwenden und eine Katastrophe zu verhindern.
»Feuerrotes und gelbes Licht, lenkt dieses Feuer ab und haltet es zurück!
Schwert und Dolch, zweiköpfige Axt und Drachenblut, dämpft die Eruption dieses Vulkans!
Salamander, der du im Feuer lebst, erschaffe einen Tunnel für diesen Flammenstrom!«
Der Berg spie bereits Asche in die Luft, und aus mehreren Öffnungen schossen Dampffontänen hoch. Feurig glühende Steine und kleine Gasblasen wurden in die Luft geschleudert, als müsste sich dieser mächtige Berg nur artikulieren. Zickzackförmige Blitze erleuchteten den Himmel und schlugen zischend in die Erde ein.
Riley blieb fest und verzog keine Miene.
»Triangelblitz, nutz jetzt dein Licht, um alle Macht zu halten und sie mit deiner zu verstärken!«
Wieder holte sie tief Atem, schloss die Augen und schickte ihr Gebet zum Himmel und bis zum Kern der Erde.
»Mutter Erde, deine bescheidene Tochter braucht noch einmal deine Hilfe. Du lebst, atmest und veränderst dich fortwährend in deinem Naturzustand. Das Feuer lodert in dir, aber deine Tochter bittet dich, dieses Feuer zu verringern und es weit, weit fortzuschicken. Die Eruption ist notwendig für das Wachstum dieser Welt, doch wir bitten dich um diese Gunst.«
Mehr konnte sie nicht tun. Entweder hatte sie den Vulkan genug beruhigt, um den Schaden auf ein Minimum zu begrenzen, oder sie alle waren verloren.
Arabejila hatte ihn vollkommen hinters Licht geführt. Mitro war so zornig, dass er unbedingt etwas Warmblütiges zerreißen und zerfetzen wollte. Seine Wut nahm zu, als er sich gegen die Fesseln warf, die sie so fest um ihn gewoben hatte. Sie war viel stärker, als sie es je gewesen war.
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