Gefangene der Magie
kann.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und wollte die Küche verlassen.
Noch länger hierzubleiben, wäre reine Zeitverschwendung, da Grace ihr nicht zu geben vermochte, was sie brauchte, und ein angepisster Werwolf jeden Moment aus seinem Schlaf erwachen konnte.
Ihr Plan wurde zunichtegemacht, als sie in ihr exaktes Ebenbild hineinlief. Oder fast exakt, denn es hatte rote Augen.
»Und wenn er freiwillig gehen würde?«, fragte Pooka und fixierte Kira mit seinen rot glühenden Augen.
Es war ein schauriges Gefühl, in das eigene Gesicht zu blicken. Dabei sah sie ohnehin nicht gerne in den Spiegel. Die spitze Nase, die scharfen Wangenknochen, der sidheuntypische dunkle Teint, das wellige braune Haar – all das hatte sie von ihrem Vater geerbt. Dabei hatte sie immer wie ihre Mutter aussehen wollen. Wie ein Feenwesen und nicht wie ein Mensch.
»Was?«, schnappte sie gereizt. Sie verstand nicht, was Pooka hier für ein Spiel spielen wollte. Der Deamhan mochte menschliche Körper nicht einmal. Kira wusste nicht, wieso, aber er hatte sich immer lieber in Gegenstände oder Tiere verwandelt.
»Der Dämon«, wiederholte Pooka ruhig, die Züge glatt und emotionslos, ohne den Schalk, der sonst immer in seinen Augen blitzte. »Was, wenn er freiwillig gehen würde?«
Kira blickte hinter Pooka, wo Kingsleys Leiche soeben den Raum betreten hatte. Die Schultern waren eingesunken und der Mund zu einem Schmollen verzogen. Am linken Fuß trug er noch immer den schwarzen, blank polierten Lederschuh, den man Kingsley zu seiner Beerdigung angezogen hatte. Jetzt trat er damit gegen den Türrahmen. Es sah nicht so aus, als würde ihn Pookas Idee besonders glücklich stimmen.
Kira wusste nicht viel über Dämonen. Es geschah schließlich nicht oft, dass einer von ihnen auf ihre Ebene wechselte. Aber eines wusste sie: Ein Körper wurde unter ihresgleichen als höchstes Gut angesehen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Dämon ihn einfach so aufgeben würde.
»Wieso sollte er das tun?«, sprach sie ihren Gedanken laut aus.
»Er wird, wenn ich ihn darum bitte.« Pooka legte seine Hände um ihr Gesicht und hielt ihren Blick gefangen. »Aber Pooka bittet nur, wenn Kira ihm ein Versprechen gibt.«
Ein kalter Schauer kroch Kiras Wirbelsäule hinauf. Pooka hatte noch nie ein Versprechen von ihr verlangt. Sidhe verlangten selten eines. Es waren die ignoranten Menschen, die so freizügig danach fragten und die Tragweite ihrer Forderungen nicht verstanden.
»Was für ein Versprechen?«, krächzte sie.
Pookas Gesichtszüge veränderten sich, wurden länger und zarter. Mit Grauen sah Kira, wie Sehnen sich dehnten und Knochen sich verschoben, um neue, unangenehm vertraute Formen anzunehmen.
Kira zappelte in Pookas Griff, ein Schrei aus Panik und Grauen gegen ihre Kehle drückend, aber die Hände des Deamhan wurden nur länger und zarter, verloren nichts an ihrer Kraft. Sie hielten ihr Gesicht weiterhin mit eiserner Härte gefangen.
Das Haar des Deamhans wuchs. Wurde blond und länger, bis es um ihre Waden strich. Kira wollte die schmalen Schultern von sich schieben, Pooka stand jedoch still und unbeugsam über ihr. Mit Verzweiflung blickte sie zu ihm auf, fragte mit ihren Augen, was ihr Mund nicht zu sagen vermochte. Wieso?
Pooka liebte Spielchen, doch er war noch nie grausam zu ihr gewesen. Wieso also quälte er sie mit dem Gesicht ihrer toten Mutter?
»Wenn der Dämon den Körper freiwillig verlässt, kann der Verräter wieder einziehen. Aber danach ist es vorbei. Kira muss versprechen …« Pooka beugte sich zu ihr hinunter, sah sie aus seinen rot glühenden Augen an. »Kira muss versprechen loszulassen. Lass den Verräter ziehen und blicke nie wieder zurück. Dumm, bei ihm zu bleiben. Titania hätte das nie gewollt.«
Kira starrte den Deamhan aus geweiteten Augen an. Pooka verlangte nichts anderes, als was sie sich selbst vorgenommen hatte. Aber warum hatte sie dann einen Kloß im Hals, der sie am Sprechen hinderte. Sie und Kingsley? Allein die Vorstellung war lächerlich. Er war ein Magier, sie eine Sidhe. Wieso konnte sie nicht einfach den Mund öffnen und die Worte sagen, die Pooka von ihr hören wollte?
Tu es nicht! , drängte Kingsley in ihrem Inneren. Sein Geist knisterte aufgeregt neben ihrem. Sie spürte seine Angst, sein Unbehagen, aber auch den Hoffnungsschimmer, diesen Körper endlich verlassen und in seinen eigenen zurückkehren zu können.
Es war dieser Hoffnungsschimmer, der sie zur Besinnung brachte.
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