Gefangene der Sehnsucht
wir in Gracious Hill sind, kenne ich dort eine Frau.«
»Natürlich kennt Ihr eine.«
»Eine Hebamme. Sie wird sich um Euren Husten kümmern.«
Peter starrte in den dunklen Himmel und lauschte auf die Reiter, die davongaloppierten. Wie weit würden Eva und Roger inzwischen gekommen sein? Seine Brust fühlte sich so eng an, als wäre ein Seil darum geschlungen worden, und sie dehnte sich unter diesem fast unerträglichen Druck. Und wenn diese Männer sie fänden? Welche Chance hätten sie dann überhaupt noch?
Er konnte nur hoffen, dass seine verhüllten Drohungen Biss genug gehabt und bei Eva Wirkung gezeigt hatten. Eva, der Gott einen schrecklichen Streich gespielt hatte, indem er ihr ein einzigartiges Geschenk gemacht hatte: die Gabe, Licht in jedes Dunkel zu bringen, und der sie dann in diese Finsternis getaucht hatte. Er hoffte von Herzen, dass sie einen Beschützer gefunden hatte, einen, der nicht nur umsichtig mit außergewöhnlichen Frauen und mutigen jungen Männern umzugehen verstand, sondern der auch gnadenlos und – ja, er musste es aussprechen – tödlich für ihre gemeinsamen Feinde war.
22
E ingehüllt in Jamies Umhang saß Eva schweigend neben der Feuergrube. Jamie saß auf der anderen Seite an einen umgestürzten Baum gelehnt, die Beine lang von sich gestreckt. Er hielt die Hände ineinander verschränkt auf dem Schoß, und seine Augen waren geschlossen, aber Eva wusste, dass er bei der leisesten Bewegung wieder aufwachen würde.
Er trug den ärmellosen schwarzen Waffenrock, der sein Kettenhemd bedeckte. Die flachen grauen Glieder aus Eisen sahen auf seinen muskulösen Armen wie die Haut eines Geschöpfes aus dem Sumpf aus. Mit seinen steinharten Muskeln wirkte er selbst in entspannter Ruhe wie ein herrliches Tier.
Zu ihrem Unglück allerdings wollte sie ihre Hand zwischen seine Schenkel gleiten lassen, wie ein kleines Stück Pergament, das zwischen ein Türblatt und die Laibung gesteckt wurde, und seine Hitze fühlen. Aber es ist da, dachte sie düster.
Wie lange konnte man wollen und es nicht einmal wissen? Eva fühlte dieses Wollen seit einer langen Zeit, und jetzt hatten all ihre geheimen Sehnsüchte Form angenommen, und das in Gestalt eines Mannes, der sie und jeden, den sie liebte, zerstören konnte, und das auch sehr wahrscheinlich tun würde.
Aber es ist da, dachte sie wieder. Er ist da.
Jamie – verborgenes, verbotenes Verlangen.
Sie veränderte ihren Blickwinkel um ein winziges bisschen. Was würde er tun, wenn sie genau jetzt zu ihm ginge und sich neben ihn knien würde? Ein Messer ziehen und es ihr an die Kehle halten? Sie herumwirbeln wie einen Fisch? Die Antworten von ihr fordern, die zurückzuhalten er ihr bis jetzt erlaubt hatte?
Sie war nicht so dumm zu glauben, dass sie ihn mit ihren ablenkenden Worten genarrt hätte. Sie hatte auch sich selbst nicht genarrt. Sie war keine Unschuld. Sie wusste, auf welche Weise Männer Frauen wollten, und sie hatte gesehen, dass Frauen Männer wollten. Gerade jetzt war Eva eine Frau, die einen Mann wollte, und es gab nichts als den verlockenden Gedanken an ihre Hand zwischen seinen Schenkeln. Und die Frage, was sie tun wollte, war sie erst einmal dort.
Es war ein kleines sokratisches Ding, diese Frage. Wie die Lektionen bei Father Peter, die mit einem Happen Wissen begonnen hatten, dessen man sicher war, und die schließlich dahin geführt hatten, dass man bis hinaus an den Rand der Erkenntnis gebracht wurde, dass man nichts wusste, nicht einmal über das vertrauteste Ding.
Wer ist in der Lage, in der Zeit einer Krankheit seinen Feinden den größten Schaden zuzufügen und seinen Freunden das Beste angedeihen zu lassen, Eva?
Ein Arzt.
Und wer ist auf dem Meer in einem Sturm in der Lage, sein Bestes gut zu tun und am meisten Schaden anrichten zu können?
Ein Lotse.
Aber in Zeiten des Wohlergehens, gibt es dann keine Notwendigkeit für den Arzt?
Natürlich gibt es diese Notwendigkeit.
Und wie verhält es sich auf ruhiger See mit dem Lotsen?
Er ist notwendig.
Es ist notwendig, Eva.
Sie wollte sich vor Jamie hinknien und die Bänder seiner Beinlinge lösen, diese vertrackte Schnürung. Sie wollte ihre Lippen auf seinen harten, flachen Bauch pressen und ihre Hände über seine Brust gleiten lassen. Und vielleicht würde er seine Hände auf ihre Schultern legen und sich herunterbeugen, um sie zu küssen? Ihre Taille mit seinen Händen umschließen und sie hochziehen, sie auf seinen Schoß setzen, ihre Lippen mit seinen teilen und
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