Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
gerichtet, aber ihr Gesicht und ihre Stimme drückten nur Unwissenheit aus. »Ich habe ihn nicht«, entgegnete sie. »In diesem Gewand sind keine Taschen.« Dabei hob sie leicht die Arme, damit er es sehen konnte. »Glaubst du, ich könnte da irgendwas verstecken?« Der Schakal reckte den Kopf und beäugte sie mit rot glühenden Augen, voller Misstrauen. Aeriel ließ die Arme sinken. »Ich habe vom Sternenpferd nichts mitgenommen. Es war tot.«
»Lügnerin!«, spie der Schakal sie an. »Du musst ihn haben … irgendwo. Dieser Beutel …«
Aeriel nahm den schwarzen Samtbeutel, der noch immer an einer Schnur um ihren Hals hing, und betete innerlich, der Löwe möge so schnell wie möglich kommen. Unterdessen knetete sie demonstrativ den scheinbar leeren Beutel. »Es ist nichts drin.« Im Hintergrund hörte sie den Todesschrei der Schakalin.
»Lügnerin!«, knurrte der Hexenhund wieder und spannte die Muskeln, den Blick starr auf den Beutel gerichtet. »Blendwerk sicherlich; er soll leer aussehen …«
Dann sprang er. Es geschah so plötzlich, dass Aeriel völlig überrascht wurde. Mit den Zähnen schnappte er sich den Beutel und stieß sie dabei zurück. Sie schrie auf und versuchte, ihn mit
dem Stock zu schlagen. Im Fallen fühlte sie, wie die Schnur am Hals riss. Der Fall auf den harten Sandboden verschlug ihr den Atem. Mit gesenktem Kopf stand der Schakal einen Moment über ihr. Seine rot glühenden Augen starrten sie an, und sein heißer, stinkender Atem strich über ihre Wange. Dann hörte sie das Brüllen des Löwen, und der Schakal hetzte davon.
Sie kam auf die Knie und nahm mit einem Blick alles wahr: Der Hexenhund war schon zwei weite Sätze den Hang hinabgelaufen, der Pendarlon kauerte über der gefallenen Hündin. Eine lange Wunde zog sich über seine linke Schulter bis zum Vorderlauf hin, ein tiefer Riss, den sie vorher noch nicht bemerkt hatte. Der Schakal floh.
»Pendarlon, halt ihn auf!«, rief Aeriel. »Er hat den Beutel …« Doch sie wusste, noch während sie sprach, dass selbst ein Sonnenlöwe mit dieser Verwundung den Schakal niemals würde einholen können.
Die große Katze kam schwankend auf die Füße und taumelte einen halben Schritt auf sie zu. »Aeriel«, rief der Löwe, doch seine Stimme klang seltsam schwach. »Aeriel, dein Stock!«
Aber Aeriels Gedanken waren seinen Worten schon vorausgeeilt. Sie war aufgesprungen und griff nach ihrem Stock, der noch dort lag, wo sie ihn fallen gelassen hatte. Knapp außer Reichweite, entglitt er erst ihren Fingern und grub sich tiefer in den groben Sand. Aeriel griff wieder danach, und diesmal bekam sie ihn zu fassen und wandte sich schnell um. Der schwarz-weiß gefleckte Schakal mit ihrem Beutel im Maul war auf halber Höhe des Dünenhangs. Wenn sie nur eine Sekunde zögerte, würde sie ihn nie mehr erwischen.
Aeriel konzentrierte sich. Ohne Zögern setzte sie alles von Orroto-to Gelernte in die Praxis um: Sie bog ihren Arm, spannte das Handgelenk, nahm zwei Schritte Anlauf und warf den Stock. Der geschnitzte Stab stieg hoch empor und segelte dahin wie ein Wurfspeer, mit der Spitze voran. Am höchsten Punkt blieb er kurz am schwarzen Sternenhimmel stehen. Dann neigte er sich und fiel. Aeriel stand keuchend auf der Düne und sah, wie der Schakal, ohne die Gefahr über sich zu ahnen, schnurstracks auf jenen Punkt zueilte, wo das schwere Holz den Boden treffen würde.
Der Stock fiel und fiel, und kurz bevor er sein Ziel erreicht hatte, bewirkte der Drall, den Ariel ihm mit dem Handgelenk versetzt hatte, dass er sich im Flug drehte, und der harte Knauf den Hundeschädel wie ein Keulenschlag traf. Der Schakal überschlug sich, und ohne einen Laut fiel ihm der schwarze Beutel aus dem Maul. Eine Sandfontäne schoss empor, als der Schakal stürzte und nur ein paar Schritte vom Fuße des Hangs leblos liegen blieb.
»Gut gemacht, meine Tochter«, hörte sie schwach den Ruf des Löwen über ihrem laut klopfenden Herzen und keuchenden Atem. »Gut gemacht!«
Aeriel eilte über die brüchige Sandkruste den abschüssigen Hang hinab, um ihren Beutel und Stock wieder zu holen. Der Schakal war tot. Als sie neben ihm im Sand kniete, sah sie, dass seine Augen nicht mehr rot, sondern klar und farblos waren. Auch sein Fell hatte den leuchtenden Schimmer verloren, und das einstige Tiefschwarz der Rosetten wirkte nun matt und grau. Aeriels Puls und Atmung beruhigten sich.
Sie hob den Samtbeutel auf, klopfte den Sand aus dem Stoff und fasste prüfend hinein, um
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