Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
Weibchen tobten und tanzten alle um den Löwen herum, schnappten und bissen gemeinsam nach ihm, mit dem Ziel, ihn zu verwirren. Ein kurzer Seitenblick zeigte ihr, dass goldenes Blut über sein weißes Fell lief. Die langsameren, aber kräftigeren Schakalmännchen griffen Aeriel an.
Sie umfasste fest ihren Stock und beobachtete die Schakale aufmerksam, um trotz des schillernden Hell-Dunkels ihres Fells alle ihre Bewegungen verfolgen zu können. Ihre verkrampften Finger schmerzten. Dann, plötzlich, kaum dass sie reagieren konnte, sprang einer der Schakale auf sie zu. Aeriel schrie auf, taumelte zurück, schlug mit ihrem Stock zu … Zu langsam. Sie stieß einen
Schrei aus, als sich die Zähne des Schakals über ihrem Handgelenk schlossen.
Sie fühlte keinen Schmerz, kein Knochen brach knirschend, nichts. Aeriel starrte verblüfft auf ihre Hand. Die Zähne des Schakals gingen durch sie hindurch wie durch Dunst. Ihr Stock fand keinen Widerstand und glitt durch die Körper ihrer Feinde, als wären sie Luft. Sie hörte das schrille Gelächter des Schakals, der grinsend vor ihr zurückwich. Aeriel stand atemlos da und starrte auf ihr unverletztes Handgelenk.
»Löwe«, stammelte sie. »Pendarlon, was ist los?« Die Meute zog sich bellend und mit rot glühender Bosheit in den Augen halbkreisförmig zurück. »Der Biss ging geradewegs durch meine Hand. Mein Stock traf keinen Widerstand. Was sind das für Kreaturen?«
Der Sonnenlöwe warf einen Blick über die Schulter und starrte sie an, überrascht, aber nur einen Augenblick. Seine Meute griff ihn noch immer an und verhöhnte ihn mit ihrem Gelächter. Aeriel sah noch mehr Blut auf dem Fell des Löwen, obwohl er sich offensichtlich mit mächtigen Prankenhieben und wütendem Zubeißen seine Angreiferinnen vom Hals halten konnte.
»Gespenster!«, rief er plötzlich. »Meine Tochter, ich hätte es merken müssen …«
Nun war es an Aeriel, überrascht zu sein. »Phantome«, murmelte sie. Ihr Kopf war zu benommen, um begreifen zu können. Dann, langsam erinnerte sie sich: an Bombas verrückte Geschichten voller Gespenster: Wesen, die keine Substanz besaßen, die man sehen und hören, aber nicht greifen konnte …
Aeriel schüttelte den Kopf und sah noch einmal auf das goldene Blut des Sonnenlöwen. »Aber du bist doch verwundet«, rief sie. »Wie konnten sie dich dann verletzen?« Ihre Schakale hatten sich wieder zusammengerottet, geduckt umschlichen sie grinsend Aeriel. Aeriel hob drohend ihren Stock und fragte sich, wozu das eigentlich gut sein sollte. Die Hexenhunde quittierten ihr Bemühen mit noch spöttischerem Gelächter.
»Wüstenschakale leben nur paarweise, meine Tochter«, keuchte der Pendarlon und wehrte seine Angreifer ab. »Jetzt verstehe ich es. Die Hexe hatte weder die Zeit, alle Schakale zusammenzurufen, noch die Macht, ein großes Rudel über eine große Entfernung zu kontrollieren.« Eine Schakalin kam ihm zu nahe, und Aeriel sah, wie die Löwenpranke durch ihren Scheinkörper hindurchfuhr. »Nur zwei des ganzen Rudels sind wirkliche Schakale«, murmelte der Löwe, »der Rest besteht nur aus Phantomen, um uns zu verwirren.«
Er schlug nach einer anderen Schakalin, und eine Tatze traf nur Luft. Zwei davon sind also echt, dachte Aeriel. Glänzendes Blut strömte aus den Wunden des Löwen an Schulter und Vorderläufen. Aber diese beiden waren offenbar gefährlich und verbargen sich in der Menge. »Wie können wir sie erkennen?«, schrie Aeriel, denn alle Männchen glichen sich aufs Haar, genauso wie die Weibchen.
»Unmöglich«, keuchte der Löwe, während er um sich schlug. »Die Hexe hat perfekte Nachbildungen geschaffen. Wir dürfen keinen von ihnen aus dem Auge verlieren, sonst …« Seine letzten Worte endeten in einem wütenden Knurren. Aeriel sah gerade noch, wie eine Schakalin, und zwar eine echte, ihre Zähne
in die Pranke der großen Katze schlug, wie das goldene Blut aufspritzte und sie blitzartig zurücksprang, ehe ihr wütender Schlag sie treffen konnte.
Sie spielen nur mit uns, dachte Aeriel. Sie hätten uns schon längst erledigen können. Es scheint ihnen Spaß zu machen, uns zu reizen und zu quälen.
Sie spürte eine plötzliche heftige Bewegung an ihrer Seite und wurde sich bewusst, dass sie einen Moment unaufmerksam geworden war. Etwas Heißes und Scharfes strich über ihren Unterarm. Mit einem Aufschrei zuckte sie zurück und ließ den Knauf ihres Stockes auf seinen zottigen Balg niedersausen. Sie hörte ein Schmerz- und
Weitere Kostenlose Bücher