Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
alle umringten sie und versuchten sie zu berühren, als könnten sie nicht glauben, dass Aeriel wirklich da war. »Du bist zurückgekehrt«, sagten sie. »Du bist zurückgekehrt. Du warst
lange Zeit fort. Oh, wie haben wir nach dir gerufen.« Die Lethargie ihrer Stimmen zeigte Aeriel, wie sehr die Geisteskräfte der armen Kreaturen während ihrer Abwesenheit nachgelassen hatten. »Wir waren so einsam. Niemand redete mit uns, sang uns Lieder vor und erzählte uns Geschichten«, murmelten sie. Aeriel biss sich auf die Unterlippe, seufzte und hoffte, die Geisteskräfte der Frauen im Laufe des Tagmonats irgendwie wiederherstellen zu können. »Warum bist du so lange fort gewesen?«, jammerten die Geisterfrauen.
»Ich bin aus dem Schloss geflohen«, sagte Aeriel.
»Aber er hat dich gefangen genommen und zurückgebracht«, stöhnten sie.
Sie schüttelte den Kopf. »Ja, er hat mich erwischt, aber ich konnte dennoch entkommen.«
»Aber warum bist du zurückgekehrt?«, schrien sie. »Wenn du ihm doch entkommen bist?«
Aeriel lächelte. Das Denkvermögen der Gespensterfrauen schien sich bereits verbessert zu haben. »Ich musste etwas erledigen. Nun ist das geschafft, und ich bin zurückgekehrt.«
»Aber das ist Wahnsinn«, schrien die Geisterfrauen. »Du warst in Sicherheit. Warum bist du zurückgekehrt?«
»Ich habe versprochen, euch zu helfen«, sagte Aeriel. »Ich kann euch nicht dem sicheren Tod überlassen.«
»Wir danken dir«, sagten die Gespensterfrauen unterwürfig. Sie senkten die Stimmen und blickten ängstlich um sich. »Aber du musst dich verstecken. Er wird dich töten, wenn er dich findet.«
»Er weiß, dass ich hier bin«, erwiderte Aeriel und nahm ihre
Spindel vom Boden, wo sie noch immer lag, als sie sie das letzte Mal benutzt hatte. »Und er will mich morgen töten.« Die Gespensterfrauen begannen wieder zu klagen, aber sie beruhigte sie. »Still! Bis morgen kann noch viel geschehen.«
Sie setzte sich auf ihren niedrigen Hocker, mitten unter die Geisterfrauen, und fing an zu spinnen. Obwohl sie monatelang aus der Übung war, hatte sie den besonderen Dreh nicht verlernt: Augenblicklich schoss ein goldener Faden zwischen ihren Fingern hindurch, so dass sie die Spindel mit einer Drehung fallen lassen konnte. Sie hatte eine Unmenge neuer Geschichten zu spinnen.
»Nun«, sagte sie, »soll ich euch von meiner Reise unter der Ebene und durch die Wüste erzählen?«
Aeriel verbrachte viel Zeit bei den Gespensterfrauen, spann den Faden für das Gewand der neuen Braut des Vampirs und erzählte ihnen von ihren Abenteuern in der Steppe und Wüste. Sie ging auch zu den Ungeheuern, die genauso verhungert und ungebärdig waren wie bei ihrer Ankunft. Doch nachdem Aeriel sie gefüttert hatte, wurden sie wieder so zahm und sanft, dass sich einige, trotz der Balgereien untereinander, von ihr streicheln ließen und ihr sogar aus der Hand fraßen.
Sie untersuchte die silbernen Ketten genauer, mit denen sie an den Turm gefesselt waren. Die Kette und der Halsreif aus Bronze waren weder fest zusammengeschmiedet noch mit einem Schloss gesichert. Lediglich ein silberner Dorn steckte dazwischen, der sich durch gleichmäßiges Drehen und Ziehen problemlos lösen ließ. Aeriel erkannte jedoch, dass die armen
Tiere nicht in der Lage waren, sich ohne menschliche Hilfe zu befreien.
Hielt sie sich nicht gerade bei den Geisterfrauen oder den Ungeheuern auf, so verbrachte sie ihre Zeit bei dem Zwerg in den Höhlen. Er hatte die Hauptschatzkammer in eine Art Labor verwandelt und derart ausladende Apparaturen aus feinsten Metallröhrchen und Behältern aufgebaut, dass Aeriel kaum noch durch die Tür schlüpfen konnte. Eine Menge alter, verstaubter Bücher lag verstreut auf dem Boden, während in der Mitte genügend freier Raum geblieben war, damit dort wie gewöhnlich das nie verlöschende kleine Feuer brannte.
»Erzähl mir, wie dies alles nutzen soll, um den Vampir zu vernichten«, sagte Aeriel, die neben dem Feuer saß.
Der kleine Mann bastelte an seiner Apparatur. Er eilte zu einem seiner Bücher, um irgendwelche Formeln oder Diagramme zu Rate zu ziehen, und stürzte wieder zurück, nur um die Flamme unter einem der brodelnden Behälter zu regulieren. Dann rieb er sich die Hände und setzte sich zu Aeriel ans Feuer.
»Daraus werde ich den Hochzeitstrank destillieren«, erklärte er und deutete auf sein Werk.
»Du meinst, um ihn damit zu vergiften?«, antwortete Aeriel ruhig. Bisher hatte sie sich noch nie gefragt, auf
Weitere Kostenlose Bücher