Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
und trat einen Schritt zurück.
»Himmel, wie du gewachsen bist, Kind«, sagte er, als sie die letzte Stufe erreicht hatte. »Und nicht nur das.«
Aeriel lachte und wunderte sich, dass sie noch lachen konnte, dann wischte sie sich die Tränen von den Wangen. »Vielleicht hat die Nahrung in deinem Zauberbeutel magische Eigenschaften, kleiner Magier.«
Der Zwerg errötete und starrte auf seine Füße. »So kennt man mich noch unter diesem Namen?«, seufzte er lächelnd. »Ich kann nicht leugnen, dass ich im höchsten Maße erfreut bin.«
Aeriel reichte ihm den Samtbeutel.
»Der Huf des Avarclon?«, fragte er. »Der unsterbliche? Gut, gut.« Er nahm den Beutel und schob ihn in seinen Ärmel. »Ich freue mich, dass du das Rätsel des Reims gelöst hast. Wenn ich doch nur ein wenig mehr Zeit für Erklärungen gehabt hätte!« Er blickte zur Decke, als wüsste er, dass der Engel der Nacht über ihnen im Garten stand. Dann richtete er den Blick wieder auf Aeriel. »Ich muss schon sagen«, schimpfte er, »du hast wirklich sonderbare Vorstellungen von der Zeit und deiner Rückkehr. Ich hatte schon befürchtet, du hättest aufgegeben und wärst nach Hause gelaufen.«
Aeriel schüttelte den Kopf, und die Narbe schmerzte wieder. »Der Vampir hat mich gebissen. Es dauerte lange, bis die Wunde verheilt war.«
Bei diesen Worten erbleichte der Zwerg und hielt die Fackel
höher, um sich den Hals anzusehen. Mit betrübtem Gesicht wandte er sich ab. »Tochter, Tochter, ich hielt es nie für möglich, dass er dich erwischt. Ich sandte eine Botschaft …«
»Der Pendarlon rettete mich«, sagte sie, »und ließ mich bei freundlichen Menschen, bis ich wieder bei Kräften war.«
Der Zwerg seufzte erleichtert. »Na schön, wenigstens weiß ich jetzt, dass sich mein Zauber noch etwas von seiner alten Kraft bewahrt hat. Ich hatte Angst, das Boot könnte sich nicht verwandeln, und dann wärst du dort gestrandet, ohne dass der Löwe von dir gewusst hätte.« Er schüttelte den Kopf, schnalzte mit der Zunge und legte die Fingerspitzen gegeneinander. »Als du sagtest, der Vampir habe dich gebissen, glaubte ich schon, er hätte dich erwischt und als Tote zurückgelassen. Ich wusste, dass es einen Kampf mit dem Pendarlon gegeben hatte, sein gebrochener Flügel und seine Wunden waren der Beweis dafür, aber als du noch immer nicht zurückkehrtest, fürchtete ich, der Löwe könnte zu spät gekommen sein …«
Talb unterbrach sich, offensichtlich erstaunt über seinen Redefluss, und Aeriel lachte wieder.
»Aber genug davon.« Er klatschte mit plötzlicher Energie in die Hände und wurde ernst. »Denn ich habe viel zu tun und du ebenfalls.« Er griff in den Beutel, zog den Sternenhuf heraus und betrachtete ihn eingehend. »Ich muss mit dem Brauen des Hochzeitstrunks beginnen, und du musst das Brautgewand weben. « Dann unterbrach er sich wieder einen Moment, musterte Aeriel mit tiefem Ernst und sprach, als könnte er es selbst nicht glauben, mit leiser Stimme: »Sag mir, Tochter, geht es dir wirklich gut?« Sie nickte, und der Zwerg schüttelte lachend den
Kopf. »Nun, dann ist es recht. Und ich denke, es wird das Beste sein, wir beide trennen uns jetzt.«
Mit diesen Worten lief er eilig das Flussufer hinunter. Aeriel gluckste innerlich vor Vergnügen. Er schien mächtigen Respekt vor ihr zu haben, und seine plötzliche Schroffheit sollte das wohl verbergen. Sie drehte sich um und ging das Ufer entlang bis zu der Treppe, die ins Schloss führte. Je weiter sie das Licht und die Wärme der Höhlen hinter sich ließ, umso mehr umfing sie die Kälte des Vampirschlosses. Sie schüttelte sich. Im Garten hatte sie beschlossen, keine Angst mehr zu haben. Und nun musste sie sich um ihre Webarbeit kümmern.
Als Aeriel das Gemach der Gespensterfrauen betrat, machten diese einen noch schlimmeren Eindruck auf sie als bei ihrem ersten Besuch: Sie schritten wortlos hin und her und saßen schwankend und stöhnend da und rauften sich die Haare. Sie waren dünn wie mumifizierte Vögel. In ihren ausgemergelten Gesichtern lagen augenlose dunkle Höhlen; das Haar hing ihnen steif und spröde vom Kopf wie grobe Nesselfasern. Keine unterschied sich sichtbar von einer anderen. Nur die Kleider, die sie trugen, unterschieden sich von den groben Säcken von damals und waren leicht und luftig, da Aeriel sie aus Liebe gesponnen hatte.
Als die Gespensterfrauen sie an der Tür stehen sahen, stießen ein paar von ihnen schwache Schreie aus. Aeriel betrat den Raum, und
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