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Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)

Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)

Titel: Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Pierce
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fragte sie.
    Eine der Gespensterfrauen trat vor, vielleicht die elendste von allen. »Es ist meine«, sagte sie mit einer Stimme so dünn und schwach wie ein Windhauch. »Du musst mir helfen.«
    Die abgezehrten Finger der Geisterfrau schlossen sich um Aeriels Hand. Aeriel half der armen Kreatur die bleierne Phiole
an den lippenlosen Mund zu führen und zu trinken. Obwohl die Phiole winzig war, schien sie lange Zeit zu trinken, und als sie fertig war, trat sie einen Schritt zurück, aber sie war kein Gespenst mehr. Anstelle der leeren Augenhöhlen waren da jetzt richtige Augen, und obgleich ihr Körper noch immer dünn und fleischlos war, umstrahlte ihn jetzt eine gewisse Energie, ja fast ein Glühen.
    »Mein Name ist Marrea«, sagte das Wesen, das nun kein Gespenst mehr war. Ihre schöne Stimme klang sanft und voll. »Ich bin die Tochter eines Gänsehirten in den waldreichen Hügeln von Bern. Ich hütete die Herden auf der Wiese, als der Engel der Nacht eines Morgens kam und mich raubte.«
    Dann, noch ehe sie die letzten Worte gesprochen hatte, zerfielen ihr Körper zu Staub und ihre Knochen zu einem kleinen Häufchen, trotzdem stand sie noch immer vor Aeriel. Oder vielmehr ein anderes Wesen stand da an ihrem Platz: ein Wesen aus sanftem gelben Licht, das an eine menschliche Gestalt erinnerte. Das Gewand, das Aeriel für sie gewoben hatte, umhüllte sie weich, aber die Umrisse ihres Körpers schienen schwach durch. Für Aeriel sah sie wie eine schöne junge Frau aus.
    »Sieh mich, wie ich früher war«, sagte der Geist. »Nun, da du mir meine Seele wiedergegeben hast, brauche ich meinen Körper nicht mehr. Mein Herz und mein Blut sind unwiederbringlich verloren: Ich bin nicht länger von dieser Welt, und so muss ich meinen Körper hinter mir lassen. Dies aber«, sie berührte ihr Gewand, »was du mir gegeben hast, will ich behalten, denn Liebe ist unsterblich und ewig und wird nicht in den endlosen Weiten des Himmels welken.«

    Der Geist erhob sich. Sein Bild wurde immer feiner und transparenter und sein sanftes Licht diffuser. Er stieg schneller empor, als Aeriel ihm mit den Augen folgen konnte. Sein Kleid bewegte sich sanft in einem Wind, den Aeriel nicht spürte. Der Geist entschwand unerreichbar in den Höhen des nächtlichen Himmels. Sein Licht wurde kleiner und kleiner, bis es nicht größer als ein fahler Stern in der dunklen Tiefe des Himmels war, wo keine anderen Sterne leuchteten.
    Aeriel starrte lange auf den bewegungslos gewordenen Lichtpunkt, ehe sie zu ihren Pflichten zurückkehrte. Die anderen Gespensterfrauen klagten und verlangten nach ihren Seelen. Aeriel teilte eine Phiole nach der anderen aus und sah zu, wie jede der Elenden trank, wie ihre Körper zerfielen und nur die lichten Bilder ihrer Seelen übrig blieben. Eine jede nannte ihren Namen, sagte, woher sie kam, wer sie in ihrem Leben gewesen war und wie der Vampir sie geraubt hatte. Dann stiegen sie langsam zum Himmel empor.
    Nun gab Aeriel der letzten Geisterfrau die letzte Phiole. Und als das Wesen getrunken hatte und ihr Körper zu Staub zerfallen war, erkannte Aeriel die Gestalt des Geistes, auch wenn er aus goldenem Licht war.
    »Eoduin«, rief sie leise. »Eoduin.«
    »Ja, Gefährtin«, sagte der Geist, und seine Stimme klang glockengleich und lieblich, doch noch immer als Eoduins erkennbar. »Du warst einst meine Dienerin, und ich kümmerte mich nicht um dich, weil ich dir deine Seelenstärke neidete.«
    »Ich besitze keine Seelenstärke«, flüsterte Aeriel.
    Das goldene Mädchen lächelte. »Als der Ikarus mich raubte,
warst nicht du es, die mich rächen wollte? Wie eine wirkliche Freundin, nicht wie eine Sklavin.«
    »Ich war verzweifelt«, widersprach Aeriel sanft. »Es war Verzweiflung. Dein Vater hätte mich verkauft …«
    Aber die andere sprach weiter, noch immer lächelnd. »Und als du mich als dummes Gespenst unter all den anderen wiederfandest, da kamst du zu uns, trotz unseres schrecklichen Aussehens. Du wusstest nicht, welche ich war, und so liebtest du uns alle um meinetwillen. Nun hast du den Ikarus bezwungen und uns unsere Seelen wiedergegeben. Dreizehn Sterne werden hell am Himmel für dich leuchten, Aeriel!«
    Nach diesen Worten stieg sie empor, in den Himmel. Als sie hinaufblickte, erkannte Aeriel an einem vormals dunklen Himmelsfleck eine neue Konstellation von Fixsternen, zu denen sich auch der letzte Geist hinzugesellte: ein vollkommener Kreis wie eine Krone oder ein Ring tanzender Mädchen, mit einer einzigen

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