Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
schnaubte verächtlich und schürzte missbilligend die Lippen. »Komm, es ist nur eine kleine Geste«, presste Aeriel hervor. »Warum die Ausflüchte? «
Der Ikarus nahm plötzlich die Hände von den Hüften und lachte dunkel und unsicher. »Na schön«, sagte er schneidend. »Lass uns trinken, Weib, da du so hartnäckig darauf bestehst. Schon bald wird alles nach meinem Sinn gehen.« Er streckte die Hand aus. »Gib mir den Becher!«
Aber Aeriel hatte den Kelch bereits an die Lippen gesetzt. Der Trank roch leicht nach Mandelmilch. Sie kostete davon. Er war wärmer als Nektar und kühler als Minze, der Geschmack schwer und bittersüß wie Trichterblumen, aber noch intensiver. Die Wärme verteilte sich im ganzen Körper. Sie fühlte sich plötzlich wacher, stärker, voller Leben. Die Lampen im Zimmer
schienen heller als zuvor zu scheinen. Sie bot den Huf des Sternenpferdes dem Engel der Nacht dar. Er nahm ihn und lachte wieder.
»Ein merkwürdiges Gefäß«, bemerkte er mit gerunzelter Stirn. »Es erinnert mich an … an …«
Aeriel fühlte einen Stich durch ihr Herz. Sie musste etwas sagen, um ihn abzulenken. »Wir … Wir haben diesen Brauch von dem Volk aus dem Flachland übernommen.«
Der Vampir zuckte die Schultern, achtete nicht auf sie. »Ich erinnere mich nicht, woran«, schloss er, hob den silbernen Huf an die Lippen und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. Aeriel beobachtete ihn und wagte nicht zu atmen. Er lächelte sie an und stellte das Gefäß beiseite.
»Jetzt sind wir Mann und Weib«, sagte er. »Was für ein Trank war das? Wein irgendeines Gewächses im Garten, das Früchte trug?«
Aeriel schüttelte den Kopf. »Nein. Es stammt von keiner Frucht aus deinem Garten.«
»Oh?«, sagte er, ohne großes Interesse. Seine Augen verschlangen sie. »Was war es denn?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Aeriel. Ein unbehagliches Gefühl kroch zwischen ihren Schulterblättern hoch. Warum fiel er nicht um? Spürte er denn nicht die Hitze der Flüssigkeit? Sie hatte das Brennen sofort verspürt und spürte es noch. Sie wich zurück, als der Engel der Nacht auf sie zutrat.
Er blieb stehen, scheinbar amüsiert von ihrem Zurückweichen. »Was soll das heißen?«, fragte er und spielte mit den bleiernen Phiolen um seinen Hals. Aeriel blickte auf seine schlanken
weißen Finger und dachte an die Kraft, die in ihnen wohnte: Finger, die Fledermausknochen knickten, Eidechsenzungen herausrissen und Mädchen erwürgten, damit er ihr Blut trinken, ihre Seelen rauben und ihre Herzen den Ungeheuern zum Fraß vorwerfen konnte. Aeriel fühlte sich schwach. »Natürlich war es eine Frucht aus meinem Garten«, sagte er.
Mit den Augen hielt sie ihn auf Distanz und fühlte wachsende Verzweiflung. Er wurde nicht schwächer, sondern schien stärker als zuvor.
Langsam überfiel sie Panik. Der Zwerg hatte sich geirrt. Der Engel der Nacht war unüberwindbar. Kein Gift konnte ihm etwas anhaben. Er runzelte jetzt leicht die Stirn, da sie ihm nicht antwortete.
»Der Zwerg gab mir den Trank«, sagte sie, sie konnte nicht lügen.
Der Vampir starrte sie an, verständnislos. »Wer …?«, begann er, aber schwieg dann abrupt. Seine sonst so makellos schimmernde Haut wurde plötzlich wächsern. Er fuhr sich mit der Hand an die Kehle und schluckte mühsam. Seine Schwingen waren gespreizt wie bei Falken kurz vor dem Niederstoßen. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Und mit einem Aufschrei schlang er die Arme um seine Leibesmitte.
»Gift! Du hast mich vergiftet … ah! Ich verbrenne!«
Er sank auf ein Knie, sein Gesicht drückte qualvolle Schmerzen aus. Aeriel schreckte entsetzt vor ihm zurück. Sie hatte nicht gewusst, dass der Trank solche Folgen haben würde. Der Zwerg hatte ihr nicht gesagt, dass sein Gebräu ihm Schmerzen bereiten würde. Sie hatte geglaubt, er würde beim ersten Schluck regungslos
zusammenbrechen. Der Kopf des Engels der Nacht flog in die Höhe; die bleierne Kette klickte, und sie sah seine Augen, wild und hell funkelnd.
»Nach der großen Ehre, die ich dir erwiesen habe«, schrie er, »nachdem ich dich erst zu meiner Magd und nun auch noch zu meinem Weib machte, ist dies jetzt deine Vergeltung?«
Er keuchte und stöhnte, umklammerte seine Brust. Sein Antlitz verzerrte sich wie im Todeskampf. Aeriel presste die Hände vor den Mund, um nicht zu schreien.
»Ich verbrenne!«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Du hast mich getötet, aber du wirst nicht leben, damit du das feiern
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