Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
sagte sie, »was bedeutet das?«
Der Hüter blieb stehen, runzelte die Stirn. »Noch fünf Reisende, die über das Sandmeer kommen?«
Ein neues Unbehagen überfiel sie, warum, wusste sie nicht. Sie nahm nicht an, dass sie von Isternes aus verfolgt wurde. Der Hüter stand überlegend da. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Wir sahen vom Turm aus kein Segel. Und der Baum trägt nur bei Bedarf Früchte.« Er kratzte sich am Kopf, sah sie an. »Wie kommen diese Früchte dir vor?«
Aeriel betrachtete sie verwirrt. »Sie sehen genauso aus wie die erste: rotgolden und glänzend.«
»Dann müssen sie dir gehören. Der Baum trägt nie zweimal dieselben Früchte. Jeder Reisende wird mit einer anderen beschenkt. « Der Hüter ging mit Aeriel zu dem Baum. »Ich habe noch nie erlebt, dass jemand so viele erhielt.«
Er pflückte die reifen Früchte vom Ast.
»Nimm sie«, sagte er. »Du wirst sie sicher gebrauchen können. «
Aeriel barg sie vorsichtig in ihrem seidenen Gewand. Der Hüter begleitete sie zur Straße. »Aber heb die Steine auf«, sagte er. »Ihnen wohnt eine große Kraft inne.«
Aeriel zupfte die Falten ihres Mantels zurecht; die Kapuze lag flach auf ihrem Rücken. Sie verneigte sich vor dem Hüter, und er erwiderte ihren Gruß. Sie machte sich auf den Weg, aber sie hatte nicht mehr als ein Dutzend Schritte zurückgelegt, da rief
der andere ihr nach: »Was, du bist eine Reisende und hast keinen Wanderstab?«
Aeriel drehte sich um und lächelte ich ihn bedauernd an. »Einst, in Pendar, besaß ich einen«, sagte sie, »als ich bei dem Wüstenvolk lebte. Aber auf meiner Rückreise nach Avaric ging er verloren.«
Sie drehte sich wieder um, marschierte die Straße entlang und schützte ihre Augen vor dem tief stehenden Licht des Sonnensterns. Sie streifte die Kapuze über, hob eine Hand, um zu winken, aber der Hüter war bereits in seinem Leuchtturm verschwunden.
Aeriel ging stetig nach Norden. Die Straße lag zwischen dem Waldrand und der Steilküste. Sie marschierte lange, ohne Hunger oder Müdigkeit zu verspüren.
Manchmal nahm sie ihre Laute und rezitierte die Gesänge, die sie in Isternes gelernt hatte: wie die junge Königin Syllva von einem Fremden umworben wurde, einem kühnen Prinzen aus Avaric, und ihm als seine Frau eine Zeit lang nach Westernesse gefolgt war, und andere Geschichten.
In den Wald wagte sie sich nicht, manchmal liefen ihr seine Bewohner über den Weg, schlanke Rehe, die nur bis an ihre Knie reichten, Baumratten mit zwei Schwänzen und melodisch singende Drosseln.
Dann war es plötzlich Mittag. Die letzten paar Stunden hatte sie mit zurückgeschlagener Kapuze zurückgelegt. Aeriel blieb erstaunt stehen und starrte in den schwarzen Himmel. Der Sonnenstern, einem glänzenden Juwel gleich, hatte fast den Zenith erreicht. Sie streifte ihre Kapuze über und setzte sich unter einen Baum am Waldesrand. Seine Zweige überschatteten die Straße.
»Bin ich wirklich einen halben Tagmonat ohne Pause gewandert? «, murmelte sie. Noch jetzt hatte sie den Geschmack der Aprikose im Mund.
Mehr konnte sie nicht sagen, denn gerade in diesem Augenblick hörte sie über sich Lärm. Es klang wie ein loses Tau, das gegen die Bordwand schlägt.
»Nun, wohin kann sie denn verschwunden sein?«, sagte eine erschöpfte Stimme. »Ich war sicher, jemanden, der genau wie sie aussieht, auf dieser Straße entdeckt zu haben.«
Aeriel rappelte sich auf und spähte durch das dichte Astwerk.
Ein großer Vogel hielt sich mit mühsamen Flügelschlägen gerade über ihrem Kopf. Er hatte einen langen Hals und kräftige schneeweiße Schwingen. In den Krallen hielt er einen länglichen dunklen Gegenstand.
»Könnte sie im Wald sein?«, keuchte er, mit noch heftigerem Flügelschlagen. »Vielleicht ist sie über das Kliff ins Meer gestürzt. «
Als Aeriel unter den Ästen emportauchte, fiel ihre Kapuze zurück. »Wen suchst du?«, rief sie.
»Potz Blitz!«, rief der Vogel und flog überrascht ein Stück höher. Seine Krallen ließen den dunklen Gegenstand los. Aeriel warf die Arme in die Höhe und trat einen Schritt zurück … Sie merkte zu spät, dass sie direkt unter dem fallenden Stab zum Stehen kam. Sie fühlte einen Schlag auf dem Kopf. Die Welt war voller Sterne und wurde dann schwarz.
»Duck dich!«, sagte jemand.
Ihre Knie knickten ein. Sie fiel mit dem Gesicht auf die Straße. Aeriel erwachte, weil jemand an ihrem Gewand zerrte. Sie
glättete es mit müden Bewegungen und richtete sich auf. Ihre Sicht war
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