Gefangene des Feuers
einer Art Tragebrett angeschnallt wurden, aber vielleicht geschah das nur, wenn die Mutter es mitnehmen musste.
Er befolgte Annies Anweisungen und tunkte das Brot in Wasser, dann brach er kleine Stückchen ab und steckte dem Baby eines nach dem anderen in den Mund, wobei er es sorgsam vermied, nicht in die Nähe der zwei Zähnchen zu kommen. Offensichtlich hatte das Baby schon gelernt zu essen, denn es wusste genau, was zu tun war. Selige Stille senkte sich über sie beide.
Rafe behielt stets ein Auge auf Annie, die mit der Kanne Tee aus Weidenrinde von einer Hütte zur nächsten ging. Die beiden kleinen Jungen starrten ihn an, als wären ihm zwei Köpfe gewachsen. Vielleicht kümmerten sich die Krieger der Apachen nicht um Babys. Und er konnte verstehen warum.
Plötzlich spürte er Feuchtigkeit, und Rafe begann das Kleine mit einem resignierten Seufzer auszuwickeln. Schließlich konnte er von dem Winzling nicht immer nur als „es“ denken. Zeit herauszufinden, ob es ein „Er“ oder eine „Sie“ war.
Es war eine Sie. Erleichtert stellte er fest, dass sie sich nur nass gemacht hatte. Das nackte Baby auf seinem Schoß schien die Freiheit zu genießen und strampelte ausgelassen, während es gurrende Laute von sich gab. Er lächelte, als er auf die Kleine hinuntersah, und das winzige runde Gesichtchen lächelte zurück. Die Kleine sah lustig aus, mit den flaumigen weichen Haaren, die wie eine Bürste vom Kopf abstanden. Ihre dunkle Haut war weich wie Honig, und die schräg stehenden dunklen Augen blitzten, wenn sie lächelte. Und das tat sie jedes Mal, wenn er sie ansah.
Er legte sie in seine Armbeuge und machte sich auf den Weg zu der Grashütte, wo Annie sie gefunden hatte. Dort würde es sicher ein paar saubere Tücher geben, in die er sie einwickeln könnte.
Als er das Tuch am Eingang hob, versuchte die Mutter des Babys, sich auf die Seite zu rollen, damit sie sich aufrichten konnte. Ihre fiebrigen Augen waren verzweifelt auf das Kind gerichtet. Rafe kauerte sich zu der jungen Frau und drückte sie vorsichtig wieder zurück auf die Decke.
„Es ist alles gut“, sagte er so sanft wie möglich und hoffte, sein Ton würde sie beruhigen, auch wenn sie seine Worte nicht verstehen konnte. Er tätschelte ihre Schulter, ehe er seine Hand an ihr Gesicht legte. Ihre Haut war glühend heiß. „Wir passen auf Ihr Baby auf. Sehen Sie nur, der Kleinen geht es gut. Ich habe sie gerade gefüttert.“
Die Frau schien keineswegs beruhigt, doch sie war zu krank, um sich wehren zu können. Sie schloss die Augen und schien nichts mehr wahrzunehmen. Neben ihr lag ein Krieger, der schwer atmete, sich jedoch noch nicht gerührt hatte. Mit seinem runden Gesicht und den borstig hochstehenden Haaren sah er genauso aus wie das Baby.
Rafe fand ein Tragebrett, aber er wollte das Kind nicht festbinden. Also machte er sich daran, sich ein Hüfttuch zu basteln, als Annie die Hütte mit ihrem Teetopf betrat.
„Es ist ein Mädchen“, sagte Rafe. „Aber ich weiß nicht, ob die Mutter sie noch stillt. Das Kind hat gegessen, als ob es wüsste, was es tut.“
Annie musste lächeln, als sie das pummelige Kind in seinem Arm liegen sah. Sie liebte Babys. Einer Frau bei der Geburt zu helfen, hatte immer zu ihren liebsten Beschäftigungen als Ärztin gehört. Und als sie das Indianerbaby auf den Arm genommen hatte, hatte es sich irgendwie ... richtig angefühlt. Vielleicht deshalb, weil sie schon überlegt hatte, ob sie Rafes Kind in sich trug. Und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich als Mutter vorgestellt.
Vorsichtig öffnete sie vorne das Kleid der Frau. Rafe hatte sich umgedreht, wiegte das Baby in seinen Armen und redete mit ihm, während Annie einen Blick auf die Brüste der Mutter warf. Offenbar war die Kleine bereits abgestillt. Vielleicht hatte die Mutter keine Milch oder konnte aus irgendeinem Grund keine mehr geben. Annie hatte sogar schon erlebt, dass Kinder sich selbst abstillten, sobald sie Zähne bekommen hatten. „Du kannst dich wieder umdrehen. Das Baby ist bereits abgestillt, also werden wir es füttern müssen.“
Dann hob sie den Kopf der Frau an und flößte ihr vorsichtig Tee ein, während sie ihr sanft zuredete zu schlucken. Bei dem Krieger war es schon schwieriger, weil sie dessen Kopf nicht anheben konnte. Annie wurde es schwer ums Herz, als sie ihn ansah. Sie glaubte nicht, dass er noch lange leben würde. Trotzdem gab sie nicht auf. Sie redete mit ihm, strich über seinen Hals und brachte ihn dazu,
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