Gefangene des Feuers
Runde mit ihrem Tee, die Augen dunkel umrandet vor Erschöpfung. Als sie eine der Hütten betrat, sah sie, dass ein Krieger sich auf die Seite rollte und die Hand nach der Frau ausstreckte, die neben ihm lag. Rasch eilte Annie zu der Frau. Sie schlief. Da auch sie am Tag zuvor rasselnd Luft geholt hatte, war Annie unendlich erleichtert und lächelte den Krieger mit Tränen in den Augen an. Er musterte sie mit seinen geheimnisvollen schwarzen Augen, dann sank er mit einem Stöhnen wieder auf den Rücken.
Annie schob den Arm unter seine Schultern und hob ihn ein kleines Stück hoch, damit er von dem Tee trinken konnte. Und das tat er, ohne Aufhebens zu machen. Als sie ihn wieder zurück auf die Decke legte, schien er ein wenig benommen, doch dann hörte sie, wie er etwas in seiner kehligen Sprache murmelte. Sie legte ihm die Hand auf die Stirn und machte ihm deutlich, dass er nun schlafen solle. Auch wenn er noch verwirrt aussah, gehorchte er.
Taumelnd verließ sie die Grashütte. Rafe war sofort bei ihr und schlang den Arm um ihre Hüfte. „Das reicht jetzt“, sagte er. „Du brauchst dringend Schlaf.“ Er führte sie zu den Decken, die er im Schatten eines Baumes ausgebreitet hatte, und Annie ließ sich dankbar darauf nieder. Eigentlich hätte ich ihm widersprechen müssen, dachte sie müde, aber sie hatte gespürt, dass er dieses Mal nicht nachgeben würde. Sie war schon eingeschlafen, kaum hatte ihr Kopf die Decke berührt.
Neugierig krochen die beiden kleinen Jungen näher heran. Rafe legte den Finger an die Lippen, um ihnen anzudeuten, ruhig zu sein. Ein andächtiger Blick aus großen schwarzen Augen kam als Antwort.
Auch Rafe war müde, aber er würde sich erst ausruhen, wenn Annie wieder wach war. Denn er wollte sie in den Armen halten, die Wärme ihres schlanken Körpers spüren und ein wenig von ihrer Magie aufsaugen. Er war zufrieden damit, sie zu beschützen, während sie schlief.
Am dritten Tag wusste Annie nicht mehr, wie sie fertig werden sollte. Sie hatte immer nur kurz geschlafen, genau wie Rafe. Ganze siebzehn Leute waren gestorben, seit sie und Rafe ins Lager gekommen waren, acht davon Kinder. Dass sie Kinder zu beklagen hatten, schmerzte sie am meisten.
Wann immer sie konnte, setzte sie sich mit dem pummeligen kleinen Baby auf dem Schoß hin. Die Kleine strahlte vor Gesundheit und schien wie eine fruchtbare Oase inmitten einer ausgetrockneten Wüste. Das Würmchen gluckste und fuhr mit seinen Fäustchen durch die Luft, während es wahllos jeden anlächelte, der es auf den Armen hielt. Der kleine zappelnde Körper in ihren Armen besänftigte sie jedes Mal.
Die Mutter, die schon wieder hatte lächeln können über ihr ausgelassenes Baby, schien sich zu erholen, genau wie der Vater des Babys. Der Krieger mit dem runden Gesicht schlief zwar noch viel, aber das Fieber schien gesunken und seine Lungen waren frei.
Und dann bekam plötzlich einer der kleinen Jungen, die beide so gesund gewirkt hatten, innerhalb weniger Stunden hohes Fieber mit Schüttelkrämpfen. Obwohl Annie ihm immer wieder Tee einflößte, starb er noch in der Nacht, ohne Flecken auf der Haut gezeigt zu haben. Nur die belegte Zunge deutete darauf hin, dass die Krankheit in dem jungen kleinen Körper gewütet hatte. Annie schluchzte in Rafes Armen.
„Ich konnte einfach nichts tun“, flüsterte sie unter Tränen. „Ich habe alles versucht! Aber manchmal scheint es mir, dass sie einfach sterben, ganz egal, was ich auch tue.“
„Ganz ruhig, Darling!“, murmelte er. „Du hast mehr als genug getan.“
„Aber für den Kleinen hat es nicht gereicht. Er kann doch kaum älter als sieben Jahre gewesen sein.“
„Ein paar Kinder, die jünger waren als er, sind auch schon gestorben. Du weißt, sie haben keine Abwehrkräfte gegen diese Krankheit, Liebes. Dir war ja von Anfang an bewusst, dass einige sterben würden.“
„Ich dachte, ich könnte helfen“, sagte sie mit leiser Stimme, die ihre ganze Trostlosigkeit verriet.
Er hob ihre Hand an seine Lippen und drückte einen zärtlichen Kuss darauf. „Du hast geholfen. Mit jeder deiner Berührungen hast du diesen Menschen Gutes getan.“
Aber das konnte Annie nicht akzeptieren. Sie hatte noch nicht genug getan! Ihr Vorrat an Weidenrindentee war aufgebraucht. Sie hätte alles gegeben für einen weiteren Vorrat oder für Mädesüß, das noch besser das Fieber senkte, aber hier im Südwesten nicht wuchs. Jacali hatte ihr ein Stück Rinde gezeigt und ihr zu verstehen gegeben,
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