Gefangene des Feuers
huschten herum.
„Da sind Ratten!“, rief sie entsetzt. „Und Spinnen, wahrscheinlich auch Schlangen.“ Sie drehte sich zu ihm herum. „Ich weigere mich, da hineinzugehen!“
Einen Moment verzog sich sein Mund belustigt und ließ seine harten Züge weicher erscheinen. „Wenn hier Ratten sind, können Sie darauf wetten, dass es keine Schlangen gibt. Die fressen nämlich Ratten.“
„Die Hütte ist ein Loch!“
„Sie hat einen Kamin“, sagte er müde. „Und vier Wände, um die Kälte abzuhalten. Wenn Ihnen nicht gefällt, was Sie sehen, dann machen Sie doch sauber.“
Sie wollte ihm schon sagen, dass er doch selbst sauber machen solle, aber ein Blick auf sein fahles, abgespanntes Gesicht ließ sie die Worte herunterschlucken. Das schlechte Gewissen nagte an ihr. Wie hatte sie überhaupt auf den Gedanken kommen können, ihn sterben zu lassen? Schließlich war sie Ärztin. Selbst wenn er sie töten würde, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatte, würde sie alles tun, um ihn gesund zu machen. Ihre früheren Überlegungen erschienen ihr mit einem Mal wie ein Verrat an ihrem Vater, sich selbst und ihrem ganzen Leben. Sie schwor sich, ihn nicht sterben zu lassen. Doch als sie sich in der verschmutzten kleinen Hütte umsah, schien ihr die Aufgabe so groß, dass sie hoffnungslos den Kopf sinken ließ. Schließlich atmete sie tief durch, nahm all ihre Kraft zusammen und straffte die Schultern. Eins nach dem anderen. Sie nahm einen robusten Stock vom Boden auf und betrat vorsichtig die Hütte. Der Stock diente ihr nicht nur dazu, die Spinnweben wegzuwischen, sondern auch die verschiedenen Nester, die sie in den Ecken fand, herauszuholen. Ein Eichhörnchen sprang heraus und flitzte durch die Hütte, und eine Mäusefamilie stob davon. Verbissen schob sie die Tiere mit dem Stock nach draußen. Dann rührte sie mit dem Stock in dem Kamin herum, entfernte alte Vogelnester und scheuchte ein paar neue Bewohner auf, die nicht in ihrer Reichweite waren. Sollten sich weiter oben im Kamin noch mehr Nester befinden, würde ein Feuer die Vögel darin schnell vertreiben.
Nachdem ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, entdeckte sie zu beiden Seiten der Hütte je ein Fenster mit groben Brettern davor, die sie mit ihrem Stock zur Seite klappte. Sie öffnete beide Fenster und ließ Licht herein, das die düstere Stimmung merklich aufhellte, obwohl die Hütte nun noch schmutziger aussah als zuvor.
Es gab keine Möbel außer einem Tisch, der genauso grob zusammengezimmert war wie alles andere. Zwei Beine waren schon halb abgebrochen und achtlos in die Ecke geworfen worden. Das einzig Gute an dieser Hütte war neben dem Kamin der Holzboden. Auch wenn zwischen den einzelnen Brettern ein Spalt war, mussten sie zumindest nicht auf der blanken Erde schlafen.
Sie holte einige Eimer Wasser aus dem Bach und schwemmte damit den Schmutz weg. So konnte sie auf die schnellste Weise zumindest ein Minimum an Sauberkeit erreichen. Und das Wasser würde durch die Ritzen zwischen den Brettern versickern. Während der Boden trocknete, sammelte sie Brennholz und stapelte es neben dem Kamin. Ihr Entführer ließ sie keinen Moment aus den Augen, auch wenn sie nicht wusste, wie er sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnte. Jedes Mal, wenn sie zu ihm hinsah, wirkte er noch bleicher.
Endlich war die Hütte so sauber, dass der Gedanke, darin zu schlafen, Annie nicht mehr schreckte. Solange sie noch die Kraft dazu hatte, holte sie die Sättel und ihre Vorräte herein. Dann ging sie noch ein letztes Mal zum Bach, um den Eimer und seine Feldflasche mit Wasser zu füllen.
Erst dann winkte sie ihn in die Hütte. Jeder Muskel zitterte von der Anstrengung, und ihre Knie waren weich, doch zumindest konnte sie sich jetzt hier niederlassen. Sie setzte sich auf den frisch geputzten Boden und legte den Kopf auf die angewinkelten Beine.
Als sie seine Stiefel über den Holzboden schleifen hörte, hob sie widerwillig den Kopf. Er stand einfach nur da, die müden Augen gezeichnet vom Fieber, während sein Körper leicht schwankte. Also zwang sie sich noch einmal hoch und kroch zu den Sätteln. Sie nahm eine Decke, faltete sie doppelt und breitete sie dann auf dem Boden aus. „Hier“, sagte sie, ihre Stimme heiser vor Müdigkeit. „Legen Sie sich hin.“
Er fiel eher, als dass er sich legte. Annie griff nach ihm, damit er nicht aufschlug, doch sein Gewicht hätte sie beinahe umgerissen. „Tut mir leid“, brummte er und blieb dort liegen, wo
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