Gefangene des Feuers
ihr nicht schaden, und wenn er sie für fähig hielt, ihn zu vergiften - nun, dann könnte sie nichts daran ändern. Ihr Gewissen setzte ihr immer noch zu wegen der schrecklichen Gedanken vom Morgen, und vielleicht reagierte er genau darauf.
„Falls Sie Laudanum reingeschüttet haben, werden Sie ebenfalls schlafen“, fügte er hinzu.
Wenigstens beschuldigte er sie nur, ihm Drogen zu geben und nicht den Versuch zu unternehmen, ihn umzubringen. Sie nahm eine kleine braune Flasche aus ihrer Tasche und hielt sie ihm hin, damit er sie sehen konnte. „Das hier ist Laudanum. Die Flasche ist beinahe noch voll. Vielleicht fühlen Sie sich auch besser, wenn Sie sie in Verwahrung nehmen.“ Sie hielt ihm das Fläschchen hin, während er sie schweigend ansah. Sein heller Blick war so eindringlich, als wollte er ihre Gedanken lesen. Vielleicht konnte er das sogar.
Rafe starrte sie an und versuchte zu entscheiden, ob er ihr trauen könnte. Er wollte es, besonders wenn er in ihre sanften braunen Augen sah. Aber er hatte diese letzten vier Jahre nur überlebt, weil er niemandem mehr über den Weg getraut hatte. Wortlos nahm er ihr das braune Fläschchen aus der Hand und stellte es auf den Boden neben sein Holster.
Kommentarlos wandte sie sich ab, doch er spürte, dass er sie beleidigt hatte.
Schweigend packte sie die Lebensmittelvorräte aus und stellte sie auf den Boden, damit er sehen konnte, was es alles gab. Annie war inzwischen so hungrig, dass Übelkeit sie zu überwältigen drohte. Sie wusste nicht einmal mehr, ob sie überhaupt etwas herunterbringen würde.
Annie füllte den Kaffeetopf, den sie in seinem Gepäck gefunden hatte, mit Wasser und schüttete Kaffeepulver hinein. Sie machte das Gebräu stärker als üblich; etwas Starkes würde ihr nun guttun. Dann wandte sie sich den Lebensmitteln zu. Ihre Hände zitterten, als sie überlegte, was sie zubereiten sollte. Es gab Kartoffeln, Speck, Bohnen, Zwiebeln und kleine Säckchen mit Mehl und Salz, Brot, Reis, Käse und Zucker, alles aus ihren Vorräten zu Hause. Ihre Vorräte waren fast aufgebraucht gewesen, doch als sie sie aufstocken wollte, waren Eda und ihr Baby dazwischengekommen.
Zum Kochen war sie jedoch zu hungrig. Sie brach etwas Brot und Käse ab, halbierte die Stücke und bot jeweils eine Hälfte ihrem Patienten an.
Er schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht hungrig.“
„Essen Sie!“, beharrte sie und legte Brot und Käse in seine Hand. „Sie müssen wieder zu Kräften kommen. Versuchen Sie es erst einmal mit ein oder zwei Bissen. Wenn Ihnen schlecht wird, hören Sie auf.“ Brot und Käse waren nicht gerade das Beste für einen Kranken, aber zumindest hatte er erst einmal etwas zu essen. Später würde sie ihm ein wenig Suppe machen, wenn sie sich ausgeruht hatte und sich selbst ein bisschen kräftiger fühlte. Sie stellte die Feldflasche neben seine Hand, damit sie für ihn greifbar war, dann machte sie sich mit kaum verhüllter Gier über ihr eigenes dürftiges Mahl her.
Er aß zwar nur ein Stückchen Käse, dafür aber sein ganzes Brot und leerte fast die gesamte Feldflasche. Als sie fertig waren, war auch der Tee aus Weidenrinde heiß. Annie zog ihn vom Feuer und stellte ihn zum Abkühlen auf die Seite.
„Warum haben Sie mir gestern Abend nichts gegen das Fieber gegeben?“, fragte er plötzlich. Seine Stimme war wieder genauso hart wie sein Blick.
„Fieber ist nicht unbedingt etwas Schlechtes“, erklärte sie. „Es scheint dem Körper zu helfen, gegen eine Infektion anzukämpfen. Es wird erst dann gefährlich, wenn es zu lange andauert oder zu hoch ist, weil es den Körper entsetzlich schwächt.“
Er zitterte immer noch, obwohl er direkt neben dem Feuer unter der Decke lag. Getrieben von einem Bedürfnis, das sie selbst nicht verstand, streckte sie die Hand aus und strich ihm das Haar aus der Stirn. Sie hatte noch nie einen Mann getroffen, der so zäh war wie er - und gleichzeitig so gefährlich. Aber trotzdem brauchte er alle Pflege, die sie ihm geben konnte.
„Wie heißen Sie?“ Sie hatte ihn schon einmal gefragt, und er hatte nicht geantwortet. Doch da sie jetzt fernab jeder Zivilisation waren, gab es keinen Grund, weiter namenlos zu bleiben. Fast musste sie lächeln. Sie hatte schon in seinen Armen gelegen, aber sie kannte seinen Namen noch nicht. Das war verrückt!
Rafe dachte einen Moment lang darüber nach, ihr einen erfundenen Namen zu nennen, entschied dann aber, dass es nicht nötig war. Wenn er sie erst nach Silver Mesa
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