Gefangene des Feuers
Ausdruckslos begegnete er ihrem Blick, während sie schnell den Kopf senkte, die Wangen heiß vor Verlegenheit. Wenigstens hatte das Fieber keinen Schaden an seinen Nieren angerichtet.
Er kam zurück zu ihr und meinte: „Jetzt sind Sie dran. Und versuchen Sie nicht, sich aus meinem Blickfeld zu entfernen! Ich will Ihren Kopf sehen, die ganze Zeit.“ Um sicherzugehen, dass sie keinen Versuch unternehmen würde davonzulaufen, nahm er seine Pistole aus dem Holster.
Sie war entsetzt, dass er so etwas von ihr erwartete, während er seelenruhig zuhörte. Sie wollte sich schon weigern, doch ihre Blase sagte ihr, dass sie nicht länger warten konnte. Ihr Gesicht brannte vor Scham, als sie sich um den Felsen herumdrückte und darauf achtete, wo sie hintrat.
„Das ist weit genug.“
Sie kämpfte mit ihren Kleidern und versuchte, unter dem Rock und dem Unterrock die Bänder ihres Höschens zu öffnen, ohne ihre Unterwäsche oder zu viel von ihrer Haut zu enthüllen - falls er doch zu ihr sehen würde. Dann wurde ihr bewusst, dass er das selbstverständlich tat. Wie sonst wüsste er, ob sie in Sichtweite blieb oder nicht.
Schließlich hatte sie ihre Kleider so weit gerichtet, dass sie sich erleichtern konnte. Sie versuchte, es so leise wie möglich zu tun, sah sich jedoch gezwungen, die mangelnde Feinfühligkeit natürlicher Vorgänge zu akzeptieren. Und was spielte es schon für eine Rolle, wenn er sie vielleicht ohnehin töten würde. Ihr Verstand sagte ihr, dass er nicht so weit gehen würde, außer er hatte einen Grund dafür, nicht erkannt werden zu wollen. Was wiederum bedeutete, dass er ein Gesetzloser war. Also müsste er ein Narr sein, wenn er sie, wie versprochen, nach Silver Mesa zurückbringen würde.
Und sie war eine Närrin, weil sie sein Leben retten wollte. Um sich selbst zu retten, müsste sie dafür sorgen, dass sein Zustand sich verschlechterte, oder sie müsste ihr medizinisches Wissen dazu benutzen, diesen Zustand zu beschleunigen.
Annie schwirrte der Kopf. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gelernt, Menschen zu retten, und nicht, sie zu töten. Und trotzdem überlegte sie gerade, ob sie diesen Mann umbringen sollte.
„Wie lange wollen Sie da eigentlich mit Ihren hochgezogenen Röcken noch hocken bleiben?“
Sie stand so abrupt auf, dass sie stolperte. Seine barsche Stimme war wie ein Guss kalten Wassers und riss sie aus ihren Gedanken zurück in die kalte Wirklichkeit. Mit aschfahlem Gesicht drehte sie sich um und sah ihn über den Felsen hinweg an.
Rafe musterte sie. Er fragte sich, warum sie so blass geworden war und weshalb ihre sanften braunen Augen auf einmal so verschreckt wirkten. Verdammt, sie war Ärztin! Sie sollte kaum schockiert oder peinlich berührt sein bei etwas, was jeder tat. Er konnte sich noch an eine Zeit erinnern, da er solcherlei Dinge einer Frau gegenüber niemals auch nur erwähnt hätte. Aber in den letzten zehn verfluchten Jahren hatte er sich so weit von dem Mann entfernt, der er einmal gewesen war, dass die Erinnerung daran kaum mehr als ein leichter Windhauch war, ein Echo aus der fernen Vergangenheit. Aber er brachte kein Bedauern für diese Veränderung auf. Er war nun einmal so, wie er war.
Nach einem Moment eisigen Schweigens beugte sie sich herunter und richtete ihre Unterwäsche, doch als sie sich wieder aufrichtete, trugen ihre Züge immer noch diesen seltsam aufgelösten Ausdruck. Als sie um den Fels herum zu ihm kam, hielt er ihr die behandschuhte Hand hin, die Handfläche nach oben und die Finger ausgestreckt.
Einen Augenblick starrte Annie seine Hand an, ohne zu verstehen, dann flogen ihre Hände zu ihren Haaren, die ihr völlig zerzaust über Schultern und Rücken fielen. Er musste ihre Haarnadeln verstreut am Boden gefunden haben.
Hastig richtete sie ihr Haar und drehte es zu einem lockeren Knoten. Dann nahm sie eine Haarnadel nach der anderen aus seiner Hand, um die schwere Fülle festzustecken. Schweigend beobachtete er ihre schlanken Hände, während sie die Haarnadeln von seinem Handschuh nahm, so zart wie ein Vögelchen, das Samenkörner aufpickt. Die Bewegungen hatten etwas so Weibliches, dass er tief in sich eine schmerzliche Sehnsucht verspürte. Verdammt, es war viel zu lange her, dass er eine Frau gehabt hatte! Viel zu lange, seit er weiche Haut und den süßen Duft genossen oder einfach nur eine Frau angesehen hatte, um sich an ihren anmutigen Bewegungen zu erfreuen, die allen zu eigen waren, selbst den gröbsten Dirnen. Eine Frau sollte
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