Gefangene des Feuers
er hingefallen war, während er schwer atmete.
Sie berührte sein Gesicht und den Hals. Wenn überhaupt, war sein Fieber noch gestiegen. Als sie seinen Pistolengurt lösen wollte, schloss er seine festen Finger um ihre Hand und drückte sie schmerzhaft, ehe er sagte: „Ich mach das.“ Wie schon zuvor legte er den Gurt nah neben seinen Kopf, nachdem er ihn abgenommen hatte. Verstohlen warf sie einen Blick auf die große Waffe, deren todbringende Kälte sie erschauern ließ.
„Denken Sie nicht einmal daran, sich das Ding zu schnappen!“, warnte er sie leise. Abrupt sah sie auf, um seinem Blick zu begegnen. Er hatte nichts von seinen Fähigkeiten verloren, Fieber hin oder her. Für sie wäre es leichter zu entkommen, wäre er im Delirium. Aber sie hatte sich nun einmal geschworen, ihm zu helfen, soweit es ihr möglich war. Was bedeutete, dass sie ihn nicht verlassen würde, selbst wenn er ohnmächtig wurde. Bis er wieder gesund war, war sie an ihn gebunden.
„Das tue ich auch nicht“, gab sie zurück. Doch sein misstrauischer Blick zeigte ihr, dass er ihr nicht glaubte. Aber sie hatte nicht die Absicht, mit ihm über ihre Vertrauenswürdigkeit zu streiten, so schwach, hungrig und müde, wie sie war, dass sie kaum aufrecht sitzen konnte. Und trotzdem musste sie sich zuerst um ihn kümmern, ehe sie selbst an der Reihe war.
„Wir müssen Ihnen das Hemd und die Stiefel ausziehen, damit Sie es bequemer haben“, sagte sie in pragmatischem Ton und bewegte sich, um ihre Worte in die Tat umzusetzen.
Wieder hielt er sie mit seiner Hand zurück. „Nein“, sagte er, und zum ersten Mal vernahm sie einen besorgten Unterton in seiner Stimme. „Es ist zu kalt, um mein Hemd auszuziehen.“
Natürlich war ihr von der anstrengenden Arbeit warm geworden, und sie hatte schon seit einiger Zeit ihren Mantel abgelegt. Außerdem wärmte die Sonne und die Luft war angenehm mild. Sie spürte, wie er unter ihrer Berührung zitterte. „Es ist nicht kalt. Das ist das Fieber.“
„Haben Sie nicht irgendwas in Ihrer Tasche, mit dem man das Fieber senken kann?“
„Ich brühe ein bisschen Weidenrinde auf und mache Ihnen einen Tee daraus, wenn ich mir Ihre Wunden angesehen habe. Der Tee wird Ihnen guttun.“
Unruhig wandte er ihr den Kopf zu. „Brühen Sie ihn gleich auf. Mir ist kalt bis auf die Knochen.“
Sie seufzte, da sie es nicht gewohnt war, dass die Patienten ihr die Behandlung vorschrieben. Doch im Grunde war es egal, was sie zuerst tat, also könnte sie ebenso gut erst einmal einen Topf Tee machen. Sie legte die andere Decke über ihn und ging zum Kamin, um ein Feuer zu machen. Zunächst schichtete sie Anmachholz und Kiefernrinde, darüber legte sie größere Holzscheite.
„Kein großes Feuer“, murmelte er. „Zu viel Rauch. Ich habe ein paar Streichhölzer in meiner Satteltasche. Rechte Seite, in Öltuch eingewickelt.“
Sie fand die Hölzer und zündete eines an der steinernen Feuerstelle an, während sie den Kopf abwandte, damit ihr der ätzende Geruch des Phosphors nicht in die Nase stieg. Die Kiefernrinde fing schon nach einem kurzen Augenblick Feuer. Annie beugte sich darüber und blies vorsichtig in die Flammen, bis sie sicher war, dass sie sich genügend ausbreiten würden. Dann setzte sie sich zurück und öffnete ihre Arzttasche. Sie hatte immer verschiedene Kräuter und Salben bei sich, wenn sie zu einem Patienten unterwegs war. Denn sie konnte sich nicht darauf verlassen, in der Wildnis immer das zu finden, was sie gerade brauchte. Sie nahm die Weidenrinde heraus, hübsch verpackt in einem Baumwollsäckchen, und den kleinen Topf, den sie zum Teekochen verwendete.
Rafe lag auf dem Rücken, zusammengekauert unter der Decke, und beobachtete unter halb geschlossenen Lidern, wie sie eine kleine Ration Wasser aus seiner Feldflasche in den Topf goss und es dann zum Kochen aufs Feuer stellte. Während das Wasser sich erwärmte, nahm sie ein quadratisches Stück Baumwolle, gab etwas von der Weidenrinde hinein, fügte ein wenig Thymian und Zimt hinzu und verknotete dann die vier Enden miteinander zu einem kleinen durchlässigen Säckchen, das sie ins Wasser legte. Dann öffnete sie ein Glas und gab noch ein wenig Honig ins Wasser.
„Was war das alles?“, fragte er.
„Weidenrinde, Zimt, Honig und Thymian.“
„Was auch immer Sie mir geben, Sie werden es zuerst probieren.“
Ihr Rücken versteifte sich bei seinen beleidigenden Worten, aber sie würde nicht mit ihm streiten. Der Tee aus Weidenrinde würde
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