Gefangene des Feuers
„Wer auch immer die Prämie einsackt, ich würde dem Kerl mit Freuden einen Drink spendieren, du Bastard!“
Rafe zuckte nur die Schultern und führte die Pferde an dem Mann vorbei, der versuchte, auf die Knie zu kommen. Ohne Pferd und Waffen würde er es kaum bis zu einer Stadt schaffen. Und wenn doch, würde es Tage, wenn nicht Wochen dauern. Dann wären Annie und er schon weit weg. Allerdings gefiel es Rafe überhaupt nicht, dass jemand davon erfahren könnte, dass er jetzt mit einer Frau unterwegs war. Doch dieses Risiko musste er wohl eingehen. Wenigstens hatte der Kopfgeldjäger Annie nicht genau genug gesehen, um eine Beschreibung von ihr abgeben zu können.
Eine schwache Bewegung und ein leichtes Kribbeln in der Nase schreckten ihn plötzlich auf. Er ließ die Zügel los, wirbelte herum und ließ sich automatisch auf ein Knie fallen, während er nach seiner Pistole griff. Der Kopfgeldjäger musste noch eine Ersatzpistole hinten in seinem Gürtel gehabt haben. Der Schuss ging nach oben, dorthin wo Rafe noch vor einem Sekundenbruchteil gestanden hatte, und hinterließ kaum mehr als einen Streifschuss auf seiner Schulter. Rafes Schuss ging jedoch nicht zu hoch.
Der Kopfgeldjäger sackte wieder gegen den Baum, Mund und Augen in einem Ausdruck dümmlicher Verblüffung aufgerissen. Dann erstarb das Licht in seinen Augen und er fiel zur Seite.
Rafe erhob sich und beruhigte die aufgeschreckten Pferde.
Er starrte den toten Kopfgeldjäger an und fühlte sich plötzlich erschöpft. Verdammt, würde das denn nie ein Ende nehmen?
Er untersuchte die Waffen des Toten. Sie waren schmutzig und in schlechtem Zustand. Deshalb warf er sie weg, doch die Munition nahm er mit. Dann suchte er die Satteltaschen nach Vorräten durch und fand Kaffee. Diese verlogenen Mistkerle! Schließlich nahm er den Pferden die Sättel ab, gab ihnen einen Klaps auf die Hinterbacken, und sie galoppierten davon. Auch wenn es nicht die besten Pferde waren, würde ihnen die Freiheit besser bekommen als die beiden Männer, unter deren Händen sie geritten waren. Dann nahm er das an Vorräten mit, was Annie und er brauchen konnten, und ging zurück zum Felsvorsprung.
Annie kauerte immer noch hinten in der Ecke, die Arme um die angewinkelten Knie geschlungen. Ihr Gesicht war aschfahl und wirkte sehr angespannt. Sie bewegte sich nicht einmal, als Rafe unter den schützenden Vorsprung trat und den Rucksack mit den Vorräten fallen ließ. In ihren großen Augen standen lauter Fragen.
Er hockte sich vor ihr hin, nahm ihre Hände und musterte sie genau, um sicherzugehen, dass sie nicht von abgesplittertem Fels getroffen worden war. „Alles in Ordnung bei dir?“ Sie schluckte. „Ja, aber bei dir nicht.“
Verblüfft starrte er sie an. „Wie meinst du das?“
„Deine Schulter.“
Ihre Worte machten ihm das Brennen in seiner linken Schulter wieder bewusst. Doch er sah nicht einmal hin. „Ach, das ist nichts, nur ein Streifschuss.“
„Aber es blutet.“
„Nur ein bisschen.“
Mit langsamen und steifen Bewegungen kroch sie aus der Ecke und ging zu ihrer Arzttasche. „Zieh dein Hemd aus!“ Er gehorchte, obwohl es tatsächlich nur ein Streifschuss war und aus der Wunde nur ein bisschen Blut austrat. Sein
Blick blieb auf Annie, die bis jetzt nicht einmal nach den Kopfgeldjägern gefragt hatte.
„Einer von ihnen war bereits tot“, sagte er. „Der andere war nur verwundet. Er hat eine zweite Pistole aus seinem Gürtel gezogen, als ich die Pferde wegführen wollte. Ich habe ihn auch erschossen.“
Sie kniete sich auf den Boden und säuberte die Wunde vorsichtig mit Zaubernuss. Das Brennen ließ ihn zusammenzucken. Ihre Hände zitterten, und sie atmete tief durch, um ruhiger zu werden. „Ich hatte einfach Angst, du könntest verletzt sein“, sagte sie.
„Mir geht es gut.“
„Aber es besteht immer ein Risiko, dass es auch anders ausgehen könnte“, entgegnete sie und fragte sich, warum dieser Mann, der bei der Versorgung seiner schweren Verletzung keine Miene verzogen hatte, bei dieser kleinen Wunde aber so ein Gesicht zog. Sie strich etwas Salbe auf die nässende Stelle und legte einen lockeren Verband an. Zum Glück war es tatsächlich nur eine leichte Verletzung.
Rafe überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass die beiden Männer, obgleich Kopfgeldjäger, nicht auf die Prämie aus gewesen waren. Aber dann entschied er sich dagegen. Stattdessen wartete er, bis sie fertig war, und zog sie in seine Arme. Sanft küsste er sie und hielt
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