Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
hervor.
Die Frau am anderen Ende der Leitung schwieg, und Becky Lynn spürte, wie sich die kleinen Härchen an ihren Unterarmen aufstellten. Sie schnappte nach Luft. „Ich muss sie unbedingt sprechen und hatte gehofft, dass Sie mir dabei helfen können. Es ist wirklich sehr wichtig für mich.“
Fieberhaft redete Becky Lynn weiter, verunsichert durch Miss Opals Schweigen und weil sie der Frau keine Gelegenheit geben wollte, ihr ihre Bitte abzuschlagen. „Ich würde Sie nicht darum bitten, wenn es nicht wirklich wichtig wäre, aber ich kann wegen Daddy nicht zu Hause anrufen und …“
„Becky Lynn … Liebes … ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll … aber … Weißt du … deine Mama ist … tot. Sie wurde vor ein paar Wochen plötzlich schwer krank …, und dann … dann ist sie ganz überraschend … gestorben. Ich weiß gar nicht genau, was sie hatte, ich weiß nur, dass sie auf dem Markt zusammengebrochen ist. Letzte Woche war die Beerdigung.“
Tot? Ihre Mutter war tot? Becky Lynn schüttelte benommen den Kopf. Der Widerhall von Miss Opals Worten brach sich an ihrem Nichtbegreifenwollen, Nichtbgreifenkönnen. Das ist nicht wahr. Das kann nicht wahr sein.
„Es tut mir Leid, Mädchen. Es tut mir ganz schrecklich Leid. Wenn ich gewusst hätte, wo ich dich erreichen kann, hätte ich dich natürlich angerufen.“
„Nein.“ Becky Lynns Beine versagten ihr den Dienst, und sie sank, den Hörer noch immer fest umklammernd, langsam zu Boden, wobei sie den Telefonapparat und eine Schachtel mit Dias mit sich riss. „Nein“, wiederholte sie tonlos. „Das ist nicht wahr.“
„Ich weiß, dass es im Moment für dich wahrscheinlich kein Trost ist, aber immer wenn ich ihr das Geld gegeben habe, das du geschickt hast, hat sie vor Freude geweint. Sie hat gesagt, dass sie nie aufgehört hat, an dich zu glauben, und dass sie dich immer für etwas Besonderes gehalten hat. Das Geld war für sie der Beweis, dass du deinen Weg gehen wirst.“
Verzweiflung wallte in Becky Lynn auf und drohte sie fast zu ersticken. Deine Mutter hat an dich geglaubt. Sie war der einzige Mensch, der jemals an dich geglaubt hat.
Und nun ist sie tot.
Der Hörer rutschte ihr aus der Hand. Mama ist tot.
Sie zog ihre Knie an die Brust und presste ihr Gesicht darauf, von Trauer und Schmerz überwältigt. Ihre Mama war gestorben, und sie war nicht bei ihr gewesen. Becky Lynn schlang die Arme um sich. In diesem Moment wäre sie am liebsten selbst gestorben. Jetzt hast du niemanden mehr. Niemanden, der dich liebt, und niemanden, der an dich glaubt.
Was sollte sie tun? Wie sollte sie nun weiterleben?
Jack wurde von einem Krach wach. Er schreckte aus dem Schlaf hoch, setzte sich kerzengerade auf und schaute sich verwirrt um. Weiches Morgenlicht stahl sich durch die Ritzen der geschlossenen Jalousien ins Zimmer.
Er rieb sich die Augen und schaute auf die Uhr auf seinem Nachttisch. Zehn vor sieben. Nachdenklich runzelte er die Stirn. Der Wecker hatte noch nicht geklingelt, und für Becky Lynn war es noch zu früh. Wahrscheinlich war es der Verkehrslärm gewesen, der ihn geweckt hatte. Oder vielleicht hatte er den Krach auch nur geträumt. Er ließ sich wieder in die Kissen zurücksinken.
Er schloss die Augen. Ein weiteres Geräusch veranlasste ihn gleich darauf, sie wieder zu öffnen. Seine Nackenhaare sträubten sich. Was war denn das? Was er hörte, klang wie ein trockenes Schluchzen, wie das Schluchzen eines Menschen, der alles verloren hat. Ohne zu begreifen, schüttelte er den Kopf, schlug die Bettdecke zurück und stieg aus dem Bett.
Da er splitternackt war, hob er eine Jogginghose vom Boden auf und schlüpfte hinein. Man konnte nie wissen. Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, schnappte er sich seinen Baseballschläger, der unter dem Bett lag, und schlich sich auf Zehenspitzen die Treppe nach unten.
Als er im Erdgeschoss angelangt war, fiel sein Blick auf Becky Lynn. Wie ein Häuflein Elend kauerte sie mit angezogenen Knien auf dem Fußboden und schluchzte bitterlich. Neben ihr lagen umgekippt das Telefon und ein Haufen Dias.
„Becky Lynn?“ fragte er leise, während er zu ihr hinüberging. „Baby … was ist denn los?“
Sie reagierte nicht, und er war sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt gehört hatte. Er kniete sich neben sie hin und streichelte ihr sacht übers Haar. „Liebes, ich bin’s … Jack.“
Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Die Qual in ihren Augen verschlug ihm den Atem. „Oh, Baby …
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