Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
verstehen.“
Sie straffte die Schultern. „Lieber würde ich sterben.“
Er lachte wieder, dann gab er ihr einen Kuss auf den Mund. Obwohl seine Lippen die ihren lediglich kurz streiften, war sie einen Moment völlig perplex.
„Braves Mädchen“, lobte er sie. „Lass uns mal abwarten, was heute rausgekommen ist. Becky Lynn ruft dich an. Wenn die Shots gut geworden sind, vereinbart sie den nächsten Termin mit dir. Bis dann, Zoe, und vielen Dank für deine Mitarbeit – ich muss jetzt telefonieren.“
Von den widersprüchlichsten Gefühlen geplagt, starrte sie ihm nach. Bewunderung und Abneigung hielten sich die Waage.
Doch nur einen Moment später gewann ein anderes Gefühl die Oberhand: Entschlossenheit. Die Aufnahmen würden gut sein, sie würden so gut sein, dass Becky Lynn sie nicht nur anrufen würde, um ihr ein erneutes Treffen vorzuschlagen, sondern dass sie sie auf Knien anflehen würde, einem neuen Termin zuzustimmen.
27. KAPITEL
Becky Lynn konnte nicht aufhören, an ihre Mutter zu denken. Seit ihrem Geburtstag, der nun bereits sechs Wochen zurücklag, schlug sie sich nun schon damit herum. Sie wollte ihrer Mutter erzählen, dass sich ihr Leben geändert hatte, und sie sehnte sich danach, ihre Stimme zu hören. Der Wunsch, sie anzurufen, wuchs von Tag zu Tag, und mittlerweile verging kaum eine Nacht mehr, ohne dass sie nicht von ihr geträumt hätte.
Da Becky Lynn immer klarer wurde, dass sie ihren Seelenfrieden nicht wiederfinden würde, ehe sie mit ihrer Mutter gesprochen hatte, beschloss sie, sie anzurufen.
Was nicht ganz einfach war, denn sie wollte sichergehen, dass ihre Mutter ungestört sprechen konnte. Also entschied sie, es über Miss Opal zu versuchen. Heute wollte sie ihre ehemalige Chefin anrufen und sie bitten, mit ihrer Mutter einen Gesprächstermin zu vereinbaren.
Als sie früh am Morgen das Studio betrat, war noch alles still. Jack schlief sicher noch, und sie würde ganz leise sein, um ihn ja nicht aufzuwecken. Sie war absichtlich früher gekommen als sonst, um ungestört telefonieren zu können, da sie Jack noch immer nichts von ihrer Vergangenheit erzählt hatte. Wenn sie von irgendjemandem nach ihrem Hintergrund gefragt wurde, hatte sie sich angewöhnt, das Märchen von dem tragischen Unfall ihres Vaters und von der liebevoll zusammenhaltenden, aber verarmten Familie zum Besten zu geben.
Nur Jack gegenüber hatte sie sich diesbzüglich immer in Schweigen gehüllt. Aus irgendeinem Grund kam es ihr falsch vor, ihn anzulügen. Deshalb war sie seinen Fragen bisher stets ausgewichen.
Sie streckte die Hand nach dem Telefon aus, hob ab und starrte dann eine Weile auf den Hörer. Schließlich gab sie sich einen Ruck und wählte Miss Opals Nummer.
Miss Opal meldete sich nach dem dritten Läuten. Plötzlich hörte Becky Lynn in ihren Ohren das Blut rauschen. Ihr Kopf war leer.
„Cut ’n Curl“, sagte Miss Opal zum zweiten Mal. „Hallo? Ist da jemand?“
„Ja, Ma’am, Miss Opal … ich bin’s.“
„Becky Lynn?“ Die ältere Frau holte überraschttief Luft. „Großer Gott, Mädchen, bist du’s wirklich?“
„Ja, Ma’am.“ Becky Lynn wickelte die Telefonschnur um die Finger ihrer linken Hand, ihr Herz hämmerte. „Ich bin’s.“
Einen Moment lang sagte Miss Opal nichts, dann räusperte sie sich. „Es ist eine Erleichterung, deine Stimme zu hören, Mädchen. Wo bist du denn? Geht’s dir gut?“
„Ja, Ma’am“, versicherte Becky Lynn. „Sehr gut sogar.“
„Dein Daddy verbreitet alle möglichen Lügengeschichten über dich – dass du ihm Geld geklaut hast und schwanger bist und dass du deshalb weggelaufen bist und so Sachen.“
Schwanger. Sie sah Ricky und Tommy wieder vor sich. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Sie räusperte sich. „Nein, das stimmt nicht. Sie müssen mir glauben, Miss Opal.“ Sie hörte, wie ihre Stimme zitterte, und sie hasste sich in diesem Moment dafür. Plötzlich war sie wieder das kleine Mädchen aus Bend. „Ich bin wegen … wegen Ricky und Tommy weggegangen.“
„Großer Gott, haben sie dich …“
„Ja.“ Zu Becky Lynns Erschrecken tauchte die bewusste Nacht
wieder vor ihrem geistigen Auge auf – die dunkle Straße, ihre flehentlichen Bitten.
Tränen traten ihr in die Augen. Entschlossen blinzelte sie sie weg und versuchte, die Erinnerung zu verdrängen. Sie rang um Fassung und beschloss, das Thema zu wechseln und auf ihr Anliegen zu sprechen zu kommen.
„Miss Opal, ich rufe wegen Mama an“, stieß sie
Weitere Kostenlose Bücher