Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
nichts gesagt, weil ich sicher war, dass du mich dann verlassen würdest. Und genauso sicher war ich, dass Giovanni mich fallen lassen würde, wenn er die Wahrheit über mich erfahren würde. Jetzt hat sich gezeigt, wie Recht ich hatte.“
Sie suchte seinen Blick. „Ach Carlo. Komm zu mir zurück, das ist das Einzige, was im Augenblick zählt. Alles andere ist ganz egal.“
„Nein. Mir ist es nicht egal.“ Wieder streichelte er ihr sacht übers Gesicht. „Bevor du Valentine wurdest, kam Jack eines Tages in mein Studio, um sich bei dir zu entschuldigen. Er bat mich, dir zu sagen, dass ihm sein Verhalten Leid tut und dass du zu ihm zurückkommen sollst.“
Carlos Worte hallten in ihrem Innern wie das Echo von Donnerschlägen wider. Jack hatte versucht, sie zurückzuerobern. Er war gekommen, um sich zu entschuldigen. Er hatte gewollt, dass sie zu ihm zurückkam.
Es ändert nichts, sagte sie sich. Jetzt hasste sie ihn.
„Geh zu ihm, bella. Ich sehe es dir an, wie sehr du dich nach ihm sehnst.“
Aus ihrer Kehle löste sich ein erstickter Schrei. „Das ist nicht wahr, Carlo. Ich wollte niemals wieder zu ihm zurück, und ich will es auch jetzt nicht. Ich werde dich nie verlassen.“
Sein Blick irrte durch den Garten, dann kehrte er zu ihr zurück. Sie streckte den Arm aus und legte ihre Hand an sein Gesicht, wobei sie an seiner unrasierten Wange die Bartstoppeln spürte. „Was ist mit dem Vogue -Shooting heute?“
„Ich gehe nicht.“
Sie umrahmte mit ihren Händen sein Gesicht und schaute ihm eindringlich in die Augen. „Carlo, du musst! Du kannst sie nicht einfach sitzen lassen. Jon hat vorhin hier angerufen, der Kunde hat Gerüchte gehört … aber er hat ihnen zugesichert, dass alles klappt.“
„Soll er es in die Hand nehmen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Carlo, das kann er nicht. Er hat nicht dein Auge … dein Talent.“
Carlo legte seine Hände auf ihre Hände, um sie von seinem Gesicht wegzuziehen. „Bitte geh, Becky Lynn. Lass mich allein.“
Sie sah, dass ihre Bemühungen sinnlos waren, und erhob sich schweren Herzens. In ihren Augen standen Tränen. „Du trampelst so lange auf deinem Ruf herum, bis nichts mehr davon übrig ist“, flüsterte sie verzweifelt.
„Schon passiert“, murmelte er vor sich hin und starrte in den Jacuzzi. „Die ganze Welt lacht doch nur noch über mich.“
„Na und? Wen interessiert denn das, Carlo? Die Leute werden sich auch wieder beruhigen. Irgendwann wird es ihnen langweilig, und sie wenden sie wieder anderen Themen zu – ganz bestimmt. Du wirst es sehen.“
Als sie ihn nun ansah, drohte ihr sein Anblick schier das Herz zu brechen. Sie holte tief Luft. „Ich werde es nicht zulassen, dass du dir alles ruinierst, was du dir aufgebaut hast. Nein, das werde ich nicht.“
„Bella“, murmelte er erschöpft, „siehst du denn nicht, dass ich das alles gar nicht wert bin?“
Plötzlich zornig geworden erhob sich Becky Lynn und straffte entschlossen die Schultern. „Nein, das sehe ich nicht. Ich sehe es überhaupt nicht.“
Damit wandte sie sich abrupt ab und ging ins Haus. Ihr Ziel war das Te lefon. Das, was sie eben gesagt hatte, hatte sie auch so gemeint. Sie würde es nicht zulassen, dass er sich sein Leben ruinierte.
Dreißig Minuten später legte Becky Lynn den Hörer auf. Tief besorgt, zog sie die Augenbrauen zusammen. Jon, Carlos Assistent, war offensichtlich völlig überfordert. Bis eben hatte sie die leise Hoffnung gehegt, dass er sich überreden lassen würde, den Job zu übernehmen.
Was nun? Die Models und das Hilfspersonal waren gebucht, der Kunde und der Artdirector waren im Anmarsch.
Becky Lynn sank in einen Sessel. Sie hatte das heutige Shooting nicht abgesagt, weil sie felsenfest entschlossen gewesen war, Carlo dazu zu bringen, sich aufzuraffen und wieder an die Arbeit zu gehen. Es war ihr nicht gelungen. Nun blieb ihr nur noch eins. Sie musste die Sache an seiner Stelle in die Hand nehmen. In der Annahme, sie zittern zu sehen, starrte sie auf ihre Hände. Sie lagen vollkommen ruhig in ihrem Schoß. Sie war vollkommen ruhig.
Sie würde es schaffen. Und sie wollte es.
Sie holte tief Luft. Sie und Carlo hatten sich gegenseitig geschworen, einander niemals im Stich zu lassen; er brauchte sie jetzt mehr als je zuvor.
Doch ihr Entschluss, das Shooting selbst in die Hand zu nehmen, begründete sich nicht allein aus dieser Tatsache. Sie hatte nie gern Modell gestanden und sich immer danach gesehnt, nicht vor, sondern hinter der
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