Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
ganz. Wie früher. Sie sollte ihm gehören, ihm allein.
Zornig auf sie und zornig auf sich selbst entriegelte er laut fluchend die Tür und trat hinaus. „Danke, das reicht, Becky Lynn. Ich denke überhaupt nicht daran, den Trottel zu spielen – weder für dich noch für sonst wen.“
52. KAPITEL
Becky Lynn wusste nicht mehr, wie sie an Carlos Seite gelangt war. Sie musste ihre gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, um durch den Ballsaal zu kommen, ohne in ihre einzelnen Bestandteile auseinander zu fallen. Ihr Zusammenprall mit Jack hatte sie tief er schüttert, sie kam sich billig und willenlos vor. Ihr Körper erschien ihr wie eine offene Wunde, in die jemand Salz gestreut hatte. Sie biss sich auf die Unterlippe. Warum brachte sie das eigentlich so aus der Fassung? Mit Jack war es eben immer wieder dasselbe. Er brauchte sie nur mit dem kleinen Finger anzutippen, und sie fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. All ihre guten Vorsätze und Schwüre lösten sich in Luft auf, und sie landete in seinen Armen.
Ihre Wangen brannten vor Scham, als sie sich ihr Verhalten erneut vor Augen führte. Die beiden Frauen hatten sie gehört, und sie waren sich voll darüber im Klaren gewesen, was in der Kabine vor sich ging. Ob sie sie womöglich an ihrem Kleid erkennen würden? Oder hatten sie es sogar schon? Becky Lynn warf einen ängstlichen Blick in die Runde und stellte erleichtert fest, dass sie niemanden entdecken konnte, der sie anstarrte oder hinter vorgehaltener Hand über sie flüsterte.
Als sie sich bei Carlo in der Hoffnung auf Halt einhakte, zitterte sie noch immer. Carlo spürte es und schaute sie betroffen an. Er legte seine Hand besorgt auf ihre. Sie bemühte sich um ein Lächeln, doch ihre Lippen zitterten so sehr, dass sie befürchtete mehr einer grinsenden Maske als einer lächelnden Frau zu gleichen.
Er drückte ihre Hand und zog sie an sich. „Ist mit dir alles in Ordnung?“
„Ja. Aber halt mich trotzdem ein bisschen fest, ja?“
Er nickte. „Giovanni will nur noch eine kleine Ansprache halten. Danach können wir nach Hause fahren, wenn du es möchtest.“
Becky Lynn hörte nur mit halbem Ohr zu, was Giovanni, der mittlerweile auf das Podium geklettert war, von sich gab.
Ihre Gedanken schweiften wieder zu Jack. Es war aus zwischen ihnen, ein für alle Mal. Möglicherweise war es tatsächlich so, dass Jack mehr von ihr wollte als nur Sex, aber sie hatte Carlo ein Versprechen gegeben, das sie nicht brechen konnte. Täte sie es dennoch, würde sie es sich nie und nimmer verzeihen.
Und hatte er denn auch wirklich gemeint, was er gesagt hatte? Wollte er tatsächlich mehr? Bei diesem Gedanken wurde ihr die Brust eng. Becky Lynn rang nach Atem. Oder begehrte er sie noch immer nur deshalb, weil sie jetzt zu Carlo gehörte? Es tat weh, so von ihm zu denken, und ganz tief in ihrem Innersten wusste sie, dass sie Jack damit Unrecht tat, aber sie hatte sich Jacks wegen schon oft genug zum Idioten gemacht. Noch einmal würde ihr das nicht passieren.
Carlo, der dicht neben ihr stand, holte tief Luft und versteifte sich. Becky Lynn schaute ihn an, dann ging ihr Blick hin zum Podium, wo Giovanni noch immer redete, und sie versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was er sagte. Als ihr klar wurde, dass der Fotograf ein Loblied auf seinen Sohn sang, stockte ihr der Atem.
Ein Loblied nicht auf seinen Sohn Carlo … sondern auf seinen Sohn Jack.
Becky Lynn hörte starr vor Entsetzen zu, wie Giovanni seinen Sohn Carlo in aller Öffentlichkeit demütigte, indem er so tat, als würde er überhaupt nicht existieren.
Ein Raunen ging durch die Menge. Sie hörte es ebenso wie Carlo. Was ist eigentlich los, schienen die Leute zu fragen. Warum kommt Giovanni plötzlich mit einem Sohn daher, den er früher für nicht existent erklärt hat, und erwähnt Carlo mit keinem Wort? Das Raunen wurde lauter. Irgendetwas war geschehen, und jeder wollte wissen, was Sache war.
Becky Lynn schaute Carlo an. Er wirkte völlig am Boden zerstört, und sie verstand genau, weshalb. Jedes einzelne Wort, das Giovanni in der vergangenen Viertelstunde ausgesprochen hatte, hatte sie an Rickys Vergewaltigungsstöße erinnert. Für Becky Lynn stand unumstößlich fest, dass Giovanni Carlo gerade ebenso vergewaltigt hatte wie Ricky sie. Und nicht weniger fest stand für sie, dass Carlo nie mehr derselbe sein würde wie vorher.
Eine Woge von Mitgefühl wallte in ihr auf und drohte sie fort zuschwemmen. Sie dachte an die traumatische Nacht
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