Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
Kamera zu stehen. Hatte sie erst einmal bewiesen, dass sie in der Lage war, gute Arbeit zu leisten, könnte sie einerseits Carlo helfen, und andererseits wäre das ihre Eintrittskarte als Fotografin in die Branche.
Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, nun galt es, sie in die Tat umzusetzen. Sie sprang auf.
Die Kreativdirektorin der Vogue starrte sie entgeistert an, und die Artdirectorin neben ihr, eine kleine zierliche Frau, schnalzte nervös mit der Zunge.
„Aber Valentine … meine Liebe … Sie sind ein Model.“
Becky Lynn hielt dem Blick der beiden unbeirrt stand. „Vorher war ich Fotografin.“ Eine kleine Notlüge. Becky Lynn kreuzte unbemerkt die Finger. „Modefotografin, um es genau zu sagen.“
„Ach, wirklich?“ Die Frau runzelte nachdenklich die Stirn. Becky Lynn sah, wie sie in ihrem Gedächtnis kramte. „Ich erinnere mich gar nicht … für welche Kunden haben Sie denn gearbeitet?“
Becky Lynn entschied sich für ein paar kleinere Etats, die sie zusammen mit Jack betreut hatte, weil sie sich ziemlich sicher war, dass sich die Artdirectorin nicht mehr daran erinnern würde, dass Jack Gallagher der Fotograf gewesen war. „Jon Noble Clothiers zum Beispiel“, murmelte sie, „und die Los Angeles oder auch P&J Unlimited.“
„Aha. Nun … aber …“ Die Frau machte eine nervöse Handbewegung. „Das ist ja alles schön und gut, meine Liebe, aber diese Kunden sind sicher lich nicht mit der Vogue ver gleich bar. Wir schulden unseren Leserinnen erstklassige Qualität.“
Für den Bruchteil einer Sekunde erwog Becky Lynn, das Handtuch zu werfen, doch dann fiel ihr wieder ein, was Jack ihr vor vielen Jahren eingeschärft hatte, als sie vorgab, seine Assistentin zu sein – der Schein ist alles. Erweck den Eindruck, als wüsstest du genau, was du tust, und jeder wird dir glauben.
„Glauben Sie mir, Bev“, Becky Lynn hängte sich vertraulich bei der anderen Frau ein, „die Shots werden fantastisch werden. Sie werden Ihre Freude daran haben und auch noch den zusätzlichen Bonus einkassieren, ein neues Talent entdeckt zu haben. Und außerdem – was haben Sie schon groß zu verlieren? Wenn Ihnen die Fotos nicht gefallen, brauchen Sie sie nicht zu nehmen. Dann kostet Sie die ganze Aktion keinen Cent.“
Bev starrte Becky Lynn aus zusammengekniffenen Augen an. „Und Sie trauen sich das wirklich zu?“
„Aber ja. Ich weiß, dass ich es kann. Bev, Darling …“ Sie lehnte sich noch etwas näher an die Frau. „Ich bin Fotografin und ein Topmodel. Wer könnte schon besser wissen, worauf es bei einem guten Shot ankommt? Ich kenne die Kamera von beiden Seiten, genügt Ihnen das nicht?“
Schließlich und endlich hatte Becky Lynn Bev so weit, dass sie sich einverstanden erklärte. Jon sah aus, als würde er gleich einen Herzinfarkt kriegen, und die Artdirectorin konnte nicht aufhören, mit der Zunge zu schnalzen.
Doch eine Stunde später hatte sich die Situation vollkommen gewandelt. Bev lächelte, die Artdirectorin gab keinen Ton mehr von sich, und Jon war konzentriert bei der Arbeit.
Becky Lynn war in Hochstimmung. Die Kamera in ihrer Hand fühlte sich an wie eine Verlängerung ihrer Arme, ihrer Augen, ihres Gehirns. Sie fühlte sich vollkommen im Gleichklang mit ihren Kamerassistenten, mit Bev, mit den Models.
Am Anfang hatte sie genau Carlos Vorstellungen zu folgen versucht, doch es hatte nicht wirklich funktioniert, weil sich ihre eigene Phantasie ständig selbständig machte, die Oberhand gewann. Bis sie schließlich aufgab. Sie erkannte nun, dass es beileibe nicht genügte, Carlo nachzuahmen – die Shots würden einen falschen, künstlichen Beigeschmack bekommen, eben weil es nicht Carlo war, der sie fotografiert hatte.
Weil sie eine Frau war, sah sie die Dinge mit den Augen einer Frau, ebenso wie die Models auf sie anders reagierten als auf Carlo. Die übliche mit Sex aufgeladene Atmosphäre war einer heiteren Stimmung gewichen. Und das würde sich auf ihre Fotos auswirken. Ein Mann war niemals in der Lage, eine solche Atmosphäre zu erzeugen.
„Oh Christy“, rief Becky Lynn enthusiastisch, „das machst du wundervoll. Einfach fantastisch. Perfekt.“ Sie betätigte den Auslöser, suchte nach einem neuen Blickwinkel und machte das nächste Foto.
„Gefällt mir wirklich gut, was Sie da machen.“ Bev trat auf sie zu. „Schießen Sie noch ein paar Shots von dieser Szene. Ach – ich hätte gern noch Jasmine mit drauf.“
Während Becky Lynn die Anregung der Kreativdirektorin
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