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Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms

Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms

Titel: Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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vorzugaukeln, der er gar nicht war.
    Carlo hob den Blick und schaute in den blauen Himmel. Er hätte gern einen Bruder gehabt. Er hätte es schön gefunden, wenn er und Jack Freunde gewesen wären.
    Carlo warf seinen Morgenmantel ab und stieg nackt in den Whirlpool. Er war schon so lange vor dem Tod davongerannt.
    Nun war der Zeitpunkt gekommen, mit dem Weglaufen aufzuhören.
    Zwanzig Minuten. Länger würde es nicht dauern.
    Das Wasser spülte warm und weich über ihn hinweg. Plötzlich fühlte er sich, als sei er zurückgekehrt in den Mutterleib. Er streckte die Hand aus und griff nach dem gefüllten Glas, das neben ihm auf dem Beckenrand stand. Der Champagner prickelte angenehm auf seiner Zunge und benetzte wohltuend seine ausgedörrte Kehle. Oh ja, er liebte guten Champagner, er hatte ihn immer geliebt; Champagner war eines der wenigen Dinge in seinem Leben gewesen, die er wirklich genossen hatte.
    Nachdem er das Glas wieder abgestellt hatte, bettete er seinen Kopf an den Beckenrand und schaute den kleinen weißen Wölkchen nach, die friedlich über den blauen Himmel trieben. Im Hintergrund hörte er einen alten Jackson-Browne-Song und versuchte sich zu erinnern, was er zur Blütezeit dieses Songs getrieben hatte, doch es fiel ihm nicht mehr ein.
    Dann schloss er die Augen. Und auf einmal sah er klar. Er sah klar und konnte vergeben. Es war falsch gewesen von ihm, anzunehmen, dass seine Mutter ihn nicht geliebt hätte; das, womit sie nicht hatte leben können, war, nicht geliebt zu werden. Eben sowenig wie er damit leben konnte.
    Er hoffte, Becky Lynn würde das verstehen und ihm vergeben.
    Zwanzig Minuten.
    Er öffnete die Augen und streckte die Hand nach der Rasierklinge aus. In seinen Fingern fühlte sich das Metall kühl und glatt an, doch als er die Klinge an seinem Handgelenk ansetzte, erschien sie ihm warm und verheißungsvoll. Und dann dauerte es nicht mehr lange, bis der brennende Schmerz einer wohltuend vagen Benommenheit Platz gemacht hatte.
    Carlo lag, den Kopf bequem an den Beckenrand gebettet, und träumte von endlosen blauen Weiten, in denen es keine Seelenqualen gab.
     
54. KAPITEL
    Jack konnte sich die quälende Unruhe, die ihn urplötzlich überfallen hatte, nicht erklären. Während er auf dem Highway todesmutig von Spur zu Spur flog und immer wieder andere Autos schnitt, um schneller voranzukommen, trommelte er auf dem Steuerrad mit den Fingern den Takt zu Jackson Brownes Klassiker „Running on Empty“.
    Er musste Carlo sehen. Er musste unbedingt mit ihm sprechen.
    Jack fluchte ungehalten, als vor ihm ein Truck ausscherte und ihn zwang, mit der Geschwindigkeit herunterzugehen. Seit Giovannis Geburtstagsgala wurde er von einem unguten Gefühl gequält, das von Tag zu Tag an Heftigkeit zunahm. Je länger er über Giovannis Verhalten nachdachte, desto mehr deprimierte es ihn.
    Und desto besser verstand er die Zusammenhänge.
    Mittlerweile war ihm alles klar. Er war nur eine Schachfigur gewesen in Giovannis Spiel; ei nem Spiel, das nur dazu da war, das aufgeblasene, verkorkste Ego seines Vaters zu nähren. Er war benutzt worden von Giovanni, ebenso wie auch Carlo lediglich benutzt worden war.
    Jack zog finster die Augenbrauen zusammen und umfasste das Steuer fester. Da hatte er nun sein ganzes Leben lang um die Zuneigung eines Mannes gebuhlt, der es gar nicht wert war. Voller Schmerz hatte er sich danach gesehnt, die Anerkennung eines Menschen zu erringen, der nicht gezögert hatte, dem kleinen achtjährigen Jungen das Herz aus dem Leib zu reißen und darauf herumzutrampeln. Ihm war alles daran gelegen gewesen, sich die Bewunderung eines Mannes zu erkämpfen, für den ein Mann nur dann ein Mann – und ein Mensch – war, wenn dessen Sexualität mit seiner eigenen übereinstimmte, und der sich nicht scheute, seinen eigenen Sohn in aller Öffentlichkeit zu demütigen.
    Giovanni hatte niemals irgendeinen Menschen außer sich selbst respektiert, und er, Jack, wie auch Carlo hatten ihr Leben damit vertan, sich nach seinem Beifall zu verzehren. Giovanni war nicht einmal gut genug, um ihnen den Staub von den Stiefeln zu lecken. Warum zum Teufel hatte er das bloß nicht schon viel früher erkannt?
    Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er nun, da es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen war, Carlo ebenfalls die Augen öffnen wollte. Und dann konnten sie – vielleicht – noch einmal von vorn anfangen.
    Seit dem bewussten Abend rissen die Gerüchte um Carlo nicht mehr ab. Jack kannte sie

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