Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
in seinen Augen stand, nie vergessen würde.
Er hatte versucht, Carlo zu retten, doch er war zu spät gekommen.
Warum war er an diesem Tag überhaupt dagewesen? Hatte er zu ihr gewollt? Oder zu Carlo? Diese Frage stellte sie sich immer wieder. Zuerst hatte sie versucht, sie damit zu beantworten, dass sie sich sagte, er sei gekommen, um Salz in Carlos Wunden zu streuen, doch an diese Antwort konnte sie mittlerweile beim besten Willen nicht mehr glauben, so gern sie es auch gewollt hätte. So etwas würde er nie tun. Nein, niemals.
Becky Lynn seufzte. Es hatte keinen Zweck, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, sie würde die Wahrheit sowieso niemals erfahren. Von Jack hatte sie seit Carlos Begräbnis weder etwas gesehen noch etwas gehört, was sie nicht weiter verwunderte angesichts der heftigen Anklagen, die sie ihm an jenem verhängnisvollen Tag ins Gesicht geschleudert hatte.
Das Telefon klingelte, und Becky Lynn ließ es, wie stets in diesen Tagen, klingeln. Nach dem fünften Läuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
„Valentine … meine Liebe … hier ist Bev, von der Vogue. “ Die Frau schnalzte mit der Zunge. „Sie sollte man wirklich an die Kette legen. An Sie ranzukommen, ist ja ein echtes Kunststück. Ich versuche seit Tagen, Sie über Tremanye zu ereichen, aber es gelingt mir nicht. Unmöglich, wirklich! Aber egal, ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihre Aufnahmen einen Riesenanklang gefunden haben, wir haben einen ganzen Korb Fanpost bekommen. Ich habe einen neuen Auftrag für Sie. Sie müssen mich unbedingt zurückrufen. Bis dann.“
Noch lange Zeit nachdem sich der Anrufbeantworter ausgeschaltet hatte, saß Becky Lynn reglos da und starrte zur Decke. Vogue will, dass ich wieder für sie fotografiere, dachte sie ein ums andere Mal und spürte, wie etwas in ihr zu neuem Leben erwachte. Plötzlich wurde sie ganz aufgeregt. Ihre Fotos hatten großen Anklang gefunden. Sie setzte sich aufrecht hin und straffte die Schultern, ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie hatten sogar Leserzuschriften bekommen.
Becky Lynn sprang aus dem Sessel auf und eilte zum Anrufbeantworter. Nachdem sie das Band zurückgespult hatte, hörte sie sich die Nachricht ein zweites Mal an. Und gleich darauf noch ein drittes Mal.
Ihre Fotos gefielen.
Die Fotos, die sie gemacht hatte, um Carlo zu helfen.
Sie holte tief Atem. Was er wohl dazu sagen würde?
Er würde sich für sie freuen. Er hatte immer gewollt, dass sie glücklich war.
Carlo hatte sie geliebt. Und er hatte an sie geglaubt. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Nur sich selbst hatte er nicht geliebt, und geglaubt hatte er auch nicht an sich. Und daran konnte sie nichts ändern.
Er würde wollen, dass sie weitermachte. Er würde wollen, dass sie sich wieder neu in ihrem Leben einrichtete, ganz bestimmt. Sie kniff die Augen ganz fest zusammen und versuchte, sich an die Euphorie zu erinnern, die an jenem Tag, an dem sie die Aufnahmen für die Vogue gemacht hatte, über sie gekommen war. Wie lebendig sie sich damals gefühlt hatte. Wie glücklich, endlich wieder hinter der Kamera zu stehen statt davor.
Auf einmal bekam sie Lust, dieses Gefühl erneut zu verspüren. Jetzt. Heute. Auf der Stelle würde sie Bev zurückrufen und ihre Zustimmung zu einem neuen Auftrag geben.
Sie wollte leben.
56. KAPITEL
Zoe rang um Atem. Die Hände der Männer waren überall. Zu dritt hielten sie sie fest, stießen Worte aus, die sie nicht verstand, und grunzten wie Schweine.
Sie umklammerten sie, zerrten an ihr herum und berührten sie an Stellen und in einer Art und Weise, die Zoe Angst einjagte, die ihr wehtat. Fauliger Atem schlug ihr entgegen. Dann knebelten sie sie.
Da wa ren aber auch noch andere Männer. Männer, die nur unbeteiligt herumstanden und zuschauten. Ab und zu ließen sie Bemerkungen fallen, die für Zoe keinen Sinn machten.
Was war passiert? Zoes Herz schlug gegen die Rippen. Sie fühlte sich wie ein gefangener, zu Tode verängstigter Vogel, der in seinem zu kleinen Käfig immer wieder gegen die Gitterstäbe prallt. Wo war sie?
Stoff, erinnerte sie sich. Sie hatte sich Stoff besorgen wollen. Hatte sie ihn bekommen? Sie versuchte den Nebel in ihrem Kopf zu durchdringen, doch es gelang ihr nicht.
Ein glühendheißer Schmerz durchzuckte sie. Sie stieß einen Schrei aus und fiel nach vorn.
„Gut gemacht“, hörte sie einen der Umstehenden sagen. „Halt sie nieder und gib’s ihr nochmal.“
Zoe weinte jetzt und krallte ihre Finger
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