Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
raschen Blick über die Schulter. Zum Kuckuck, was soll’s, sagte sie sich. Ihr Vorhaben war dreist, aber was hatte sie schon zu verlieren? Sie duckte sich unter der Markise durch und ging rasch auf die breite Doppelglastür zu. Das Schlimmste, was ihr passieren konnte, war, dass man sie postwendend wieder hinauswarf. Es wäre nicht das erste Mal.
Als sie durch die Eingangstür trat, schallte ihr der stampfende Rhythmus von Tina Turners What’s Love Got To Do With It? entgegen und traf sie wie ein Keulenschlag. Das Gleiche galt für den Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee, der ihr in die Nase stieg.
Beim Anblick der Einrichtung des Schönheitssalons stockte ihr der Atem. Der Laden war in keiner Weise mit Cut ’n Curl vergleichbar. Die Ausstattung des weitläufigen Raumes zeugte von so auserlesener Eleganz, wie Becky Lynn sie sich bisher nur erträumt hatte. Komfortable weiße Ledersessel sowie eine breite Ledercouch, in der man wahrscheinlich das Gefühl hatte zu versinken, luden dazu ein, es sich bequem zu machen. Die zierlichen Stühle waren mit grünweiß gestreiftem Chintz bezogen, und die Platten der Tische waren aus dem gleichen grün-pink-farbenem Marmor gehauen wie auch die Außenfassade des Geschäfts, die Tischbeine waren aus blitzendem Messing. Auf einem Marmorbüffet stand ein silbernes Kaffeeservice sowie eine Silberschale mit dem feinsten Gebäck, das Becky Lynn jemals gesehen hatte.
Als ihr Blick darauf fiel, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Rasch wandte sie sich wieder ab. Überall an den Wänden hingen große glänzende Schwarzweiß-Aufnahmen berühmter Schauspielerinnen. Becky Lynn ging näher zu der ihr am nächsten gelegenen Wand und studierte sie. Brooke Shields. Isabella Rossellini. Sie ging noch näher ran. Renée Simonsen. Daryl Hannah.
Die Fotografien waren signiert. Mit Herzklopfen ging Becky Lynn zu der gegenüberliegenden Wand, die mit Schriftzügen in allen Farben bedeckt war. Als sie davor stand, blieb ihr vor Überraschung der Mund offen stehen. Sie konnte ihren Augen kaum trauen. Sie blinzelte. Farrah Fawcett. Nancy Reagan. Kathleen Turner.
Becky Lynn trat einen Schritt zurück und schüttelte leise den Kopf. Nein, hierher gehörte sie auf keinen Fall. Du lieber Himmel, sie war doch erst vor ein paar Tagen aus der Müllkippe hervorgekrochen. In einem Geschäft wie diesem würde sie niemals eine Anstellung finden.
„Mein Gott, ist das Ihre natürliche Haarfarbe?“
Becky Lynn erstarrte, dann wirbelte sie herum und fuhr sich vor Schreck mit der Hand an die Kehle. Die Frau, der sie sich gegenübersah, trug eine schwarze Seidenhose, eine schlichte weiße Seidenbluse und eine schmale schwarze Krawatte. Sie wirkte klassisch elegant. Eine Frau mit Stil und Charakter.
Becky Lynn war es auf einmal, als stünde sie neben sich selbst, sah das ungeschminkte Mädchen in den ausgewaschenen Bluejeans, dem T-Shirt und den ausgelatschten Sneakers. Du gehörst nicht hierher, dachte sie, erschrocken über ihre eigene Dreistigkeit, und kreuzte defensiv die Arme vor der Brust. „Wie bitte, Ma’am?“
„Ihre Haarfarbe.“ Die Frau kam auf sie zu. „Ist sie echt?“
Becky Lynn fuhr sich unbewusst mit einer Hand durchs Haar und schluckte. „Ja, Ma’am.“
„Sie ist wirklich traumhaft.“ Die Frau hatte sie nun erreicht und musterte sie gelassen von oben bis unten. Sie hatte die blauesten Augen, die Becky Lynn jemals gesehen hatte – und die wärmsten. „Tut mir Leid, dass ich Sie erschreckt habe. Aber wenn Sie jetzt sagen, dass Sie einen Termin bei mir haben, erschrecken Sie mich auch. Ich muss nämlich gestehen, dass ich nichts davon weiß. Hat Mac Sie reingelassen?“
Becky Lynn schüttelte den Kopf. „Nein … ich … die … Tür war offen.“
Der Blick der Frau wanderte zu der Glastür, dann kam er wieder zu Becky Lynn zurück. Dann erst schien ihr klar zu werden, dass das Mädchen, das vor ihr stand, weder einen Termin hatte noch hierher gehörte. „Womit kann ich Ihnen helfen?“ erkundigte sie sich dennoch mit gleich bleibender Freundlichkeit.
„Ich … ich … entschuldigen Sie“, stammelte Becky Lynn und trat einen Schritt zurück. „Ich glaube, ich gehe jetzt wohl besser.“
Die Frau hob das Kinn und taxierte Becky Lynn einen Moment schweigend, in dem Versuch, die Lage einzuschätzen. In ihren Augen stand Verwirrung. Und Misstrauen. Ihr Blick wanderte zu dem silbernen Kaffeeservice. „Warum sind Sie denn reingekommen? Sie müssen doch etwas gewollt
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