Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
kennen schien. Den Leuten, die stehen blieben, um ihn zu begrüßen, stellte er sie schlicht als Becky Lynn vor, und sie sah mehr als einmal fragend erhobene Augenbrauen.
Während sie über den Set spazierten, weihte Jack sie in die verschiedenen Funktionen der Leute ein und erklärte ihr deren Aufgaben.
Als Avedon zu fotografieren begann, schaute Becky Lynn Jack überrascht an. „Seine Kamera ist ja ganz anders als deine.“
Er klärte sie darüber auf, dass Avedon meistens eine Mittelformatkamera benutzte, worin der Unterschied bestand und dass die meisten Profis eine Mittelformatkamera bevorzugten.
„Und du nicht?“
„Ich habe eine, aber ich fotografiere lieber mit der 35-ger. Sie liegt mir besser in der Hand, ich fühle mich irgendwie beweglicher.“ Er zuckte die Schultern. „Das macht jeder so, wie er will.“
Nach einer Weile des Schweigens deutete er auf eines der Models. „Jeder Fotograf hat seinen eigenen Arbeitsstil. Merkst du, wie Richard sie provoziert? Nur so kriegt er die theatralischen, dramatischen Shots in den Kasten, für die er so berühmt ist. Allein darin liegt das Geheimnis seiner Technik. Was du hier siehst, ist Avedon in Reinkultur.“
Oh ja, sie sah es. Und wie sie es sah. Gierig, als handele es sich um ein Lebenselixier, sog sie alles mit ihren Blicken in sich hinein. Die Zeit verflog im Nu.
Gerade als sie Jack eine Frage stellen wollte, ging ein Ruck durch die Anwesenden. Becky Lynn reckte den Hals, um besser sehen zu können.
Ein Mann schlenderte über den Set. Sein Gang hatte etwas Ehrfurchtgebietendes, und die Leute traten beseite, um ihn vorbeizulassen. Überrascht ertappte sich Becky Lynn dabei, dass sie ebenfalls einen Schritt zur Seite ging, obwohl er sie noch gar nicht erreicht hatte.
Avedon war aufmerksam geworden und hörte auf zu fotografieren. Nachdem er sich umgedreht und den Mann entdeckt hatte, machte der Verärgerung auf seinem Gesicht freudige Überraschung Platz.
„Na so was“, rief er aus und drückte seinem Assistenten die Kamera in die Hand. Dann ging er mit ausgebreiteten Armen auf den Mann zu und umarmte ihn herzlich.
Jack packte sie am Arm und versuchte sie wegzuziehen. Becky Lynn zuckte erschreckt zusammen. Als sie sich zu ihm umwandte und ihn ansah, verschlug es ihr fast den Atem. Auf seinem Gesicht lag der blanke Hass. „Jack, was …“
„Los komm, wir gehen.“
„Aber …“
„Ich gehe. Mit dir oder ohne dich.“
Er ließ ihren Arm los, drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort davon. Sie zögerte einen Moment, plötzlich fühlte sie sich wie vor den Kopf geschlagen. Sie begann zu zittern. Was war passiert? Was hatte sie falsch gemacht? Sie schaute um sich, versuchte in den Gesichtern der Umstehenden zu lesen. Einige starrten sie an, offensichtlich hatten sie etwas mitbekommen.
Ihre Wangen wurden heiß, und auf einmal fühlte sie sich wieder wie damals, als sie drei war und barfuß mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in der Schlange stand und die anderen Mütter sie anstarrten.
Du gehörst nicht hierher.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich umdrehte und hinter Jack herrannte. Nachdem sie die Einganstür zum Museum aufgestoßen hatte, sah sie ihn. Er war schon fast bei seinem Auto. „Jack! Warte doch!“
Er hörte sie nicht oder wollte sie nicht hören. Sie rannte schneller. Jetzt hatte er sein Auto erreicht und schloss die Tür auf. „Jack!“ schrie sie erneut. Erst als sie keuchend neben ihm stand, schaute er auf.
„Steig ein!“ befahl er und hielt ihr die Beifahrertür auf.
Sie wich einen Schritt zurück, ihr Herz wummerte wie ein Presslufthammer. „Nein.“
Sein finsterer Blick ging über sie hinweg. „Becky Lynn, du steigst jetzt augenblicklich in dieses verdammte Auto.“
Sie trat noch einen Schritt zurück. „Nein. Ich nehme den Bus.“
Er stieß eine Verwünschung aus und fuhr sich, sichtlich um Fassung bemüht, durchs Haar. Einen Augenblick später holte er tief Luft und sah ihr in die Augen. „Du nimmst nicht den Bus“, widersprach er mit erzwungener Ruhe. „Ich habe dich hergebracht, und ich bringe dich auch wieder nach Hause.“ Er deutete auf die geöffnete Wagentür. „Steig ein.“
Sie straffte die Schultern, hob den Kopf und versuchte, dem Zittern ihrer Hände Einhalt zu gebieten. „Was ist denn los? Hat es etwas mit diesem Mann zu tun?“
„Ja.“ Jack sah sie an. Seine Kiefer mahlten. „Ja“, gab er zurück. „Es hat mit diesem Mann zu tun.“
Becky Lynn hob ihr Kinn noch ein
Weitere Kostenlose Bücher