Gefangene des Scheichs: Erotischer Roman (German Edition)
nervtötende Stelle wieder und wieder spielt, bis man glaubt, dass einem der Kopf platzt. Sie wollte die Augen schließen und nichts mehr davon sehen oder hören. Doch in eben jenem Moment legte sich eine gewaltige Klaue um ihre Kehle und schnürte ihr die Luft ab. Schlagartig empfand sie dieses vornehme Haus und seine Bewohner wie einen jener Bunker, von denen ihre Freunde berichtet hatten, die aus Frankreich und Belgien zurückgekehrt waren. Ein düsterer Klotz, in dem man sich lebendig begraben fühlte. Und viel zu oft auch war.
Als wolle etwas aus ihr herausbrechen, schien sich ihre Brust zu weiten, zu dehnen. Victoria bekam keine Luft mehr, und ihr Körper war zum Zerreißen gespannt. Sie ertrug es nicht mehr. Den ewig gleichen gesellschaftlichen Rhythmus, die starren Konventionen, in die sie eingezwängt war wie in ein stählernes Korsett. Sie würde ersticken. Jetzt und hier.
Es musste doch ein Entrinnen geben … Hatten die Zeiten sich nicht gewandelt? Trugen die Frauen nicht Haare und Röcke kurz? Konnten sie nicht Berufe ergreifen? Automobile fahren? Warum konnte ein Mädchen des Mittelstands als Sekretärin arbeiten, sich den Mann als Ehemann wählen, den sie wollte? Warum sollte ihr, Victoria Stockbridge, verwehrt sein, was für alle anderen Normalität war?
Sie eilte mit wenigen langen Schritten zum Fenster und riss es auf. Kalt peitsche eine Böe den Regen in ihr Gesicht. Noch immer mit zugeschnürter Kehle, begann sie langsam wieder flach zu atmen. Ihr Kopf hämmerte noch immer, aber es wurde besser. Wenn auch ihr Kleid innerhalb weniger Augenblicke völlig durchnässt war und ihre Mutter entsetzt rief: „Kind! Du holst dir den Tod! Mach sofort das Fenster zu!“
Doch Victoria wollte dieses Fenster nicht mehr schließen. Sie hatte Whitby zugehört in der Royal Society. Sie hatte ihm sogar sehr gut zugehört. Und nicht nur, weil sie etwas für ihn empfand. Sondern weil er von einer fremden Welt berichtet hatte. Weil sie erkannt hatte, dass es mehr gab als nur Salons, gepflegte Konversation und die Aufregung um die neueste Mode aus Paris. Es gab so unendlich viel mehr, und für Victoria war Whitby zum Inbegriff all dessen geworden. Was sie letzte Nacht getan hatte, war nur ein erster Schritt gewesen. Dessen war sie sich absolut sicher. Whitby würde für sie die Eintrittskarte in ein neues Leben sein.
Kapitel 5
Gloria Van Dyke war eine mehr als exzentrische Erscheinung. Sie war ungeheuer groß und ungeheuer dünn. Trug sie fließende, dünne Stoffe, was sie meistens tat, so traten ihre Beckenknochen wie Schaufeln hervor. Ihre Brüste waren so klein, dass sie praktisch nicht vorhanden waren. Im Gegensatz zu ihren Augen, die rund und groß wie Kugeln in ihren Höhlen lagen. Ihre Lippen schminkte sie stets in übertriebener Form und übertriebenen Farben. Wenn es ein „rotestes Rot“ gab, so benutzte Gloria es. Wie eine pralle Kirsche wirkte ihr Mund in ihrem kalkweißen Gesicht.
In diesem Moment lag Gloria Van Dyke wie hingegossen auf Victorias Couch, eine Zigarette in extrem langer Zigarettenspitze zwischen den passend zum Lippenstift manikürten Fingern, und kommentierte mit völlig übertriebenem Akzent eine Party, die sie am Vorabend besucht hatte. Victoria lauschte ihr und blinzelte gegen die grellen Farben an, die Glorias seidenen Kaftan strahlen ließen. Es war ein Import aus dem fernen Japan, besetzt mit cremefarbenen Quasten, die Glorias weit ausholenden Bewegungen unterstrichen. Frauen wie Gloria traten nicht ein – sie traten
auf
!
„Wie ich höre, habt ihr einen wunderbar exzentrischen Gast empfangen, Daaarling.“ Sie dehnte das letzte Wort dramatisch, und da die Stockbridges selten
wunderbar exzentrische
Gäste empfingen, wusste Victoria sofort, von wem die Rede war. „Deine Mutter soll ihn anbeten.“
Victoria starrte ihre Freundin verblüfft an.
Anbeten
war nicht die erste Vokabel, die ihr in diesem Zusammenhang in den Sinn gekommen wäre.
„Nun ja …“ Mehr fiel ihr nicht ein.
„Ich habe ihn in der Hall gesehen … aaah! Ein Bär von einem Mann … so animalisch … wild … provokativ.“
Glorias rollende Augen zusammen mit ihren gurrend ausgestoßenen Worten riefen in Victoria ein eindeutiges Gefühl hervor: Eifersucht! Es begann, in ihrem Magen zu brennen, und ihr Kopf fing an zu glühen. Was war zwischen Gloria und dem animalischen Whitby gelaufen? Warum brachte sie die Rede auf ihn?
Plötzlich warf Gloria sich nach vorn und umklammerte das Knie ihrer
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