Gefangene des Scheichs: Erotischer Roman (German Edition)
denn es hielt keinen Menschen und kein Tier zurück. Es markierte vielmehr, dass sich hier ein besonderer Bereich befand. Ein Areal, das den Lebenden nah und doch gleichzeitig fern war. Und darin glich es auch Whitbys Beziehung zu ihr. Er war ihr so nah gewesen wie kein Mensch jemals zuvor, und doch hatte auch ein Abgrund, gewaltiger als jeder, den es auf Erden geben mochte, sie getrennt. Und es war allein ihrer Liebe und Hingabe an diesen Mann zu danken gewesen, dass sie versucht hatte, den Abgrund zu überqueren. Ein Ansinnen, an dem sie in zynischster Art und Weise gescheitert war.
Waren es auch nur wenige Gehminuten gewesen, so fühlte Victoria sich doch bereits an dem Törchen so erschöpft und in Schweiß gebadet, dass sie bezweifelte, auch nur noch einen weiteren Schritt gehen zu können. Ob diese Ermattung nun der unbarmherzigen Sonne oder der unermesslichen Schwere ihres Herzens geschuldet war, vermochte sie nicht zu sagen.
Alles, was sie wusste, war, dass dort unter diesem schmucklosen Hügel ihr Leben lag. All ihre Träume, all ihre Liebe und all ihre Sehnsucht lagen dort begraben. Ja, sie war nun, da sie die Schriftauf dem Kreuz zu lesen vermochte, an einem Punkt angelangt, wo sie sich fragte, was für einen Sinn ihr Leben überhaupt noch hatte. Welche Aussicht gab es denn jetzt noch als jene, nach England zurückzukehren, dann direkt nach Schottland weiterzureisen und genau das zu tun, was der Anwalt und ihre Eltern von Anfang an geplant hatten. Zu warten, bis Gras über den Skandal gewachsen war und dann nach einem Ehemann zu suchen, dessen eigener, vielleicht nicht ganz so nobler Stand ihm eine gewisse Nachsicht mit der Vergangenheit seiner Braut erlaubte. Eine vielleicht nicht ganz so glänzende Partie, aber – nüchtern betrachtet – eine, die es der Gesellschaft erlaubte, zu vergessen.
Vergessen … Victorias Augen füllten sich mit heißen Tränen, als sie seinen Namen fixierte. Tausend Stimmen schienen ihr zuzurufen: „Du musst ihn vergessen! Begrabe ihn in deinem Herzen, so wie er hier im Wüstensand begraben liegt!“
Aber das konnte sie nicht. Sie konnte sich nicht fügen. Jede Faser ihres Körpers, jeder Gedanke in ihrem Verstand bäumte sich in diesem Moment auf. Wenn sie auch an seinem Tod nichts mehr ändern konnte, so hatte sie doch die sichere breite Straße verlassen und war – in den Augen ihrer Familie und der Gesellschaft – auf Abwege geraten. Sie würde jene kleine Gasse, die sie betreten hatte, als sie Whitby bei der Soiree gefolgt war, jetzt auch bis zum Ende gehen!
Sie spürte die Hand der Herzogin an ihrer. Die mageren, glatten Finger, die ihre umschlossen. Und sie tat einen Schwur: „Ich werde meinen Weg gehen. Ich werde dich nie vergessen. Was immer auch geschieht, ich werde erst ruhen, wenn ich an deiner Seite bin.“
Dabei begannen die Tränen über ihre Wimpern zu gleiten und an ihren Wangen herabzulaufen. Es waren stille Tränen. Tränen, die einsam waren und ohne jenes Seufzen auskommen mussten, das die Seele für einen Atemzug zu erleichtern vermag. Und es waren Tränen der Machtlosigkeit im Angesicht der eigenen Entschlossenheit. Unwillkürlich drückte Victoria kurz die Hand der alten Dame als gelte es, jenen Schwur in heimlicher Übereinkunft zu besiegeln.
Sie nickte kurz und gab damit allen zu verstehen, dass man sich abwenden und zum Haus zurückgehen konnte. Dass sie hier fertig war. Doch das war eine Lüge. Victoria war noch nicht fertig an diesem vom glühenden Dschinn D’Aa überspülten Grab. In Wahrheit hatte sie gerade erst begonnen!
Kapitel 14
Die Sonne versank über den golden glänzenden Sandbergen, die Victoria von ihrem Fenster aus in der Ferne sehen konnte. Der Schmerz hatte nicht nachgelassen. Was ihre Gastgeber auch versucht hatten, nichts hatte sie auch nur für einen Moment von jener Leere, jener Qual ablenken können, die sie erfüllten.
Sie zermarterte sich den Kopf, was sie tun konnte, um ihm nahe zu sein. Und sei es auch nur in ihrer Fantasie. Wie einen immer gleichen Film ließ sie die Zeit mit ihm vor ihrem inneren Auge ablaufen. Dachte sich alle möglichen Dinge aus, die sie zu tun bereit wäre, um ihn zurückzuholen.
Aber nichts erleichterte die Schwere ihres Herzens. Zumal es an diesem Ort auch keine Ablenkung gab. Noch immer konnte man das Haus wegen der drohenden Rebellenangriffe nicht verlassen. Von der unbarmherzigen Hitze ganz zu schweigen.
Die Herzogin schlief einen Gutteil des Tags, und der Herzog war im
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