Gefangene des Scheichs: Erotischer Roman (German Edition)
mir, Euer Gnaden … aber dürfte ich mich bitte zurückziehen?“ Es war das Äußerste, was die Konvention Victoria gestattete. Sie musste sich beherrschen, bis man sie in ihr Zimmer gebracht hatte. Tränen brannten wie Säure hinter ihren Lidern, und sie musste sich zwingen, an etwas anderes zu denken, um nicht vollkommen die Beherrschung zu verlieren. Wie eine bleierne, donnernde Woge näherte sich ihr der alles vernichtende Schmerz, und sie wusste nicht, wie viel Zeit ihr noch blieb, bis diese über ihr zusammenschlagen würde.
„Aber gewiss doch. Die Reise war lang und anstrengend, und wir haben Sie über Gebühr beansprucht. McKenzie, bringen Sie Miss Stockbridge auf ihr Zimmer.“
Der Butler eilte heran und führte Victoria in den hinteren Bereich des Hauses, wo man ihr eines der Gästezimmer zurechtgemacht hatte. Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, brach sie zusammen.
Kapitel 13
Es zählte zu den vornehmsten Eigenschaften der Herzoginwitwe von Montrose, dass sie schweigen konnte, wo Worte nur Unheil angerichtet hätten, und redete, wenn es zu helfen und zu ermutigen galt. Und dies stets im richtigen Moment. So hatte sie auch einen vollen Tag gewartet, bis sie beim gemeinsamen Frühstück mit Victoria jenes Thema anschlug, das alle im Haus, ihr Sohn eingeschlossen, tunlichst gemieden hatten.
„Sie waren bis jetzt noch nicht an seinem Grab, meine Liebe“, sagte sie mit ihrer leisen, vornehmen Stimme. Ein Satz ohne jeden Tadel – aber mit dem Angebot, sich auszusprechen.
Victoria, die sich vor jenem Moment so gefürchtet hatte, da sie seinen Verlust in irgendeiner Art würde ansprechen müssen, stellte ihre Tasse ab, bevor sie noch einen Schluck getrunken hatte, hob zu einem Satz an und nickte dann doch nur schweigend, den Klang ihrer eigenen Stimme fürchtend.
„Wir müssen ab und an den Dingen ins Auge sehen. Egal, wie schmerzlich es auch sein mag. Ich bin eine alte Frau, aber dies gibt mir die Möglichkeit, in die Herzen der Menschen zu schauen. Wegen ihm sind Sie hergekommen, haben diese lange und strapaziöse Reise unternommen. Und nun sollten Sie auch zu ihm gehen. Wenn Sie mir erlauben, mein Kind, würde ich Sie dabei gerne begleiten, denn es gibt Wege, die sollte man nicht allein gehen müssen.“
Eine Woge tiefer Dankbarkeit erfasste Victoria. Nicht ein einziges Mal seit sie London und ihre Familie verlassen hatte, hatte sie eben jene Hilflosigkeit so schmerzhaft empfunden, die zwangsläufig einen Menschen erfassen musste, der – ohne jede Erfahrung – den Schutz des Heims und der Menschen, die er kannte und liebte, verließ.
Ihre Eltern hatten sie behütet. Nie zuvor hatte sie das so sehr gespürt wie eben jetzt, da sie – nur wenige Minuten von Whitbys Grab entfernt – einer Tatsache ins Gesicht sehen musste, die sie nie und nimmer in ihre Kalkulationen einberechnet hatte. Alles hatte sie erwartet, dass er sie – überwältigt von Glück – in seine Arme reißen würde. Dass sich herausstellen mochte, dass er hier bereits eine andere Frau hatte. Ja sogar, dass er sich ihr gegenüber abweisend verhalten mochte, insgeheim besorgt über ihr monströses Abenteuer. Aber nie und nimmer, dass sie nichts vonihm vorfinden mochte als einen sandigen Hügel mitten im Niemandsland.
Die Herzogin blickte auf die Toastscheibe, die Victoria nicht einmal angerührt hatte, und sagte: „Wir sollten es nicht hinausschieben. Lassen Sie uns gleich aufbrechen.“
Und noch ehe Victoria die Möglichkeit hatte, etwas einzuwenden, hatte die Herzogin sich bereits erhoben und nach dem Diener geläutet. „Wir werden einen kleinen Spaziergang machen, Menzies.“
Aus Gründen der Sicherheit hatte der Herzog angeordnet, dass den Damen stets Soldaten mitgegeben werden sollten, sobald sie das Haus verließen. Und so machte sich bald ein kleines Grüppchen, bestehend aus der Herzoginwitwe, Victoria und drei Soldaten, die sich in gebührendem Abstand zu den Damen hielten, auf den kurzen Weg bis zum Soldatenfriedhof.
Victoria bemühte sich, ihre Gedanken allein auf jene in ihren Augen etwas bizarre Prozession zu lenken, die sich über die staubigen Straßen durch die Gluthitze zu den Gräbern bewegte. Auf keinen Fall durfte sie daran denken, dass jener Mann, den sie abgöttisch liebte, tot und kalt in jenem Grab ruhte, das – lediglich durch ein schlichtes Kreuz gekennzeichnet, bald vor ihr auftauchen würde.
Man betrat den Friedhof durch ein kleines Holztor, das an sich vollkommen sinnlos war,
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