Gefangene Seele
Streifenwagen vor Ort waren.
Sam klopfte an Jades Tür. “Süße, ich bin’s. Darf ich ‘reinkommen?”
Jade rannte zur Tür und schloss sie auf. “Ich habe solche Angst.”
Er nickte. “Ja, ich auch. Ich dachte, wenn es dir nichts ausmacht, warte ich hier oben zusammen mit dir.”
Sam sah in ihrem Gesichtsaudruck die Erleichterung, die sie spürte. “Nein, es macht mir gar nichts aus. Ganz im Gegenteil, ich wäre dir dankbar.”
“Es tut mir leid, dass ich dich vorhin gestört habe, als du dich ausgeruht hast”, sagte Sam. “Ich weiß, du hast gestern Nacht nicht geschlafen.”
Jade spürte, wie sehr sich Sam bemühte, ihr zu helfen. Sie konnte sich vorstellen, wie er sich fühlen musste, wenn sie sich immer von ihm zurückzog. Raphael hatte sie angefleht, Vertrauen zu schöpfen und Sam als ihre Familie zu akzeptieren. Nun erkannte sie, wie recht er hatte. Wenn sie Sam und Luke nicht gehabt hätte, hätte sie das alles nicht durchstehen können. Sie schlang ihre Arme um seine Taille und legte ihren Kopf an seine Brust.
“Nein. Ich habe nicht geschlafen. Ich bin in Gedanken immer um den Untersuchungstisch im Leichenschauhaus gelaufen, auf dem Raphael lag. Ich versuchte mir vorzustellen, wie seine letzten Minuten ausgesehen haben könnten. Und dann musste er sie alleine durchstehen. Ich habe meine Trauer an dir und Velma ausgelassen … und an Luke. Es tut mir alles so leid. Ich weiß, es geht dir wahrscheinlich auf die Nerven, dass ich mich ständig für mein Verhalten entschuldige. Ich möchte nicht, dass du denkst, dass ich undankbar bin, denn das bin ich nicht. Du hast dafür gesorgt, dass Raphaels letzte Tage erträglich für ihn waren. Und dafür werde ich dir immer dankbar sein.”
Sam nahm Jade in seine Arme. “Süße … das habe ich doch getan, weil ich dich liebe. Und ich weiß, dass du ihn geliebt hast. So einfach ist das.”
Jade seufzte. “Einfach … das Wort gab es bei uns nicht”, sagte sie. “Alles war immer schwierig für uns.”
Sam drückte sie an sich und führte sie dann zum Bett hinüber.
“Willst du dich nicht hinlegen? Wenigstens für einen Moment? Ich verspreche dir, dass ich nicht weggehen werde. Und falls du einschläfst … umso besser.”
Jade schüttelte den Kopf. “Ich setze mich mit dir hin, aber ich werde auf keinen Fall einschlafen können. Nicht, solange ich weiß, dass Luke in Gefahr ist.”
“Du magst ihn ein wenig, oder?” Sam sah sie fragend an.
Jade war irritiert. “Wen? Du meinst Luke?” Dann schaute sie schnell weg. “Klar, mag ich ihn. Er war sehr nett zu mir.”
“Bist du ihm dankbar?”
Jade zuckte mit den Schultern. “Ich weiß es nicht.”
Sam setzte sich neben sie auf das Bett und nahm ihre Hände in seine. “Wir haben so viel miteinander versäumt, nicht wahr?”
Jade nickte.
“Viele Dinge, die man zum ersten Mal macht, haben wir nicht gemeinsam erlebt: den ersten Schultag, das erste Mal auf Rollschuhen oder auf dem Fahrrad. Weder die erste Verabredung mit einem Jungen noch einen Schulball.”
Jade sah, wie sich seine Augen mit Tränen füllten.
“Es tut mir leid, dass ich dich nicht gefunden habe”, sagte Sam. “Ich fühle mich so schrecklich schuldig für das, was dir widerfahren ist. Ich hätte sehen müssen, wie unglücklich Margaret war. Ich hätte länger nach euch suchen sollen … hätte mir mehr Mühe geben müssen … oder andere Wege gehen sollen.” Er erzitterte. “Ich hätte alles unternehmen müssen, um zu verhindern, dass es so gekommen ist.”
“Es ist nun mal so. Ich habe es überlebt. Ich bin darüber hinweg.”
Sam sah sie an. “Bist du? Ich meine, bist du wirklich darüber hinweg?”
Jade zuckte mit den Schultern. “Ich weiß es nicht. Ich möchte daran glauben. Aber ich habe nie ausprobiert, wie es ist, eine normale Beziehung mit jemandem zu haben.”
“Würdest du gern eine Beziehung haben wollen?”, fragte er.
Jade sah auf den Boden, dann hinauf zu dem Schatten in einer Ecke des Zimmers.
“Ich frage mich, was gegenüber passiert. Glaubst du, dass wir mal aus dem Fenster schauen dürfen …”
“Jade?”
Sie runzelte die Stirn. Sam wollte es nicht zulassen, dass sie das Thema wechselte. Sei es drum.
“Du redest über Luke, oder?”
“Du könntest denken, ich will mich in etwas einmischen, was mich nichts angeht, aber da ich nie die Gelegenheit hatte, ein richtiger Vater zu sein, vielleicht verstehst du das als etwas, was ein Freund tun würde.”
“Jeder kann ein Freund
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