Gefechte der Leidenschaft
Geräusch nach zu urteilen, kam ihnen die Gruppe vom Rand des Vieux Carre her entgegen. Da die lärmende Meute noch mindestens einen Block entfernt war, würden sie ihr mit ein wenig Glück aus dem Weg gehen können. Sie rafften die Röcke und schritten eilig auf das nahe gelegene Stadthaus zu.
Im selben Augenblick hörten sie Hufgeklapper. Einige Männer zu Pferd, die der Gruppe vorausgeritten waren, tauchten an einer Straßenecke unmittelbar vor Lisette und Agatha auf. Sie trugen Masken und weite Umhänge und hielten Fackeln in der Hand.
Lisette schrak zusammen, so sehr erinnerte sie der Aufzug an den Vorfall während der Mardi-Gras-Parade vor nicht allzu langer Zeit. Da kamen die Reiter auch schon herangeprescht und galoppierten so dicht an ihnen vorüber, dass Lisette der Geruch der warmen Pferdekörper und der verschwitzten Wollumhänge in die Nase drang. In ihrem Gefolge tauchte jetzt ein lärmender Haufen von Männern auf, vielleicht vierzig an der Zahl, von denen einige Schaufeln und Harken schwenkten. Andere droschen dröhnend mit Schöpflöffeln und Hämmern auf Pfannen ein oder entlockten Hörnern ein ohrenbetäubendes Getute.
Das waren nicht nur ein paar Spaßvögel, die sich zusammengetan hatten, um ein unbeliebtes Brautpaar zu verulken. Die Meute schien sich aus dem Abschaum der Docks zu rekrutieren, darunter Bootsführer, Matrosen und Müßiggänger aus den Kneipen, die die Rue de la Levee säumten. Für ein paar von ihnen war das Ganze einfach ein Jux, der ihnen eine freie Mahlzeit einbringen würde, andere jedoch schienen betrunken zu sein und einige wenige sahen geradezu bösartig aus.
»Mein Gott«, stieß Agatha hervor.
Lisette vergeudete keine Zeit mit Worten. Sie packte ihre Gefährtin beim Arm und zog sie in den Hauseingang eines Putzmachergeschäfts.
Fast wäre es gut gegangen, wäre nicht ein in schmieriges Leder gekleideter Einfaltspinsel auf sie zugewankt. Er taumelte gegen Agatha, drehte sich zu ihr um und glotzte sie an. Ein lüsternes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, dann stieß er einen Juchzer aus, presste seinen Arm um die Taille von Lisettes Freundin und riss sie mit sich in die Menge.
Lisette schrie ihn an, stemmte die Füße in den Boden und versuchte, Agatha von ihm wegzuziehen. Doch es hatte keinen Zweck. Auch sie wurde in das Getümmel von
Leibern hineingezogen und ebenso wie Agatha von der Menge fortgespült.
Die Meute lief immer schneller und ein unheimliches Grollen drang aus ihren Reihen. Agathas Haube baumelte ihr vor dem Gesicht und sie konnte kaum mit dem Matrosen Schritt halten, der sie mit sich schleppte. Als Lisette merkte, dass sie sie mit ihrem Griff noch mehr behinderte, ließ sie die Freundin widerstrebend los. Eine Sekunde später sah sie, wie Agatha strauchelte und auf die Knie fiel. Lisette wollte ihr zu Hilfe kommen, wurde jedoch erbarmungslos weitergeschoben. Sie blickte über die Schulter zurück, konnte aber nur noch einen Blick auf Agathas bleiches Gesicht erhaschen, bevor sie in der Masse der Männer eingeschlossen wurde.
Im Nu waren sie wieder vor dem Stadthaus der Valliers angekommen. Der schaurige Lärm der Glocken, Hörner und Trommeln steigerte sich noch und hallte wie grollender Donner zwischen den Häusern wider. Hochzeitsgäste erschienen auf dem Balkon und wurden mit Johlen und Buhrufen begrüßt. Da trat eine Gruppe von Männern aus der Kutschendurchfahrt und nahm an der Pforte Aufstellung. Sie zogen den Degen und versperrten den Eindringlingen den Weg.
Lisette empfand mit Furcht gemischte Bewunderung, als sie Caid und Nicholas, Bastille Croquere und Gilbert Rosiere, Pepe Llulla und selbst Blackford mit dem Arm in der Schlinge erkannte. Wie kühn und mutig sie sich dem wilden Haufen entgegenstellten, gewillt, ihre Ruhe, Sicherheit, ja sogar ihr Leben für ihren Freund zu wagen! Dass es Männer mit einem solch hohen Ehrgefühl gab, erfüllte sie mit staunender Freude.
»Festmahl! Festmahl! Festmahl!«, gröhlte die Menge und forderte damit den herkömmlichen Tribut ein. Die Reiter klapperten vor der Reihe der Fechtmeister auf und ab und ließen wieder und wieder ihre Tiere steigen, während Lärm und Geschrei immer weiter anschwollen. Harken- und Schaufelstiele hämmerten aufs Pflaster, Glocken und Topfdeckel krachten gegen die Stützpfeiler der Galerie. Überall wimmelten die tobenden Männer, stießen und drängten sich und rüttelten an den eisernen Gittern der Ladentüren und -fenster im Erdgeschoss.
Plötzlich riss
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