Gefechte der Leidenschaft
Ostern — mit ihren jeweiligen Festlichkeiten gekommen. Die geweihten Palmwedel, die man hinter die Spiegel im Salon gesteckt hatte, waren noch nicht verwelkt, da traf eine Einladung zur Hochzeit von Celina Vallier und Damian Francisco Adriano de Vega y Riordan, Conde de Lerida ein. Lisette brauchte einen Augenblick, bis sie merkte, dass es sich bei dem Bräutigam mit dem hochtrabenden Namen einfach um Rio handelte.
Ihr kam in den Sinn, dass dies das erste gesellschaftliche Ereignis seit der Landhausparty war, zu dem sie eingeladen wurde. Offenbar hatten Monsieur Moisants Verleumdungen das ihre getan und sie zur Ausgestoßenen werden lassen. Nicht, dass es ihr etwas ausgemacht hätte. Sie wollte niemanden sehen und nirgendwo hingehen.
Sie erwog kurz, auch die Einladung zur Hochzeit abzulehnen, doch das war nur ihrem nervösen Zustand zuzuschreiben. Es ging einfach nicht. Sie würde auf jeden Fall Celina und Rio die Ehre erweisen und ihnen alles Glück der Welt wünschen. Mit hoch erhobenem Kopf würde sie den Leuten gerade ins Gesicht blicken. Und wenn sie Caid sähe, würde sie höflich und distanziert lächeln, so als hätten sie sich nie im Mondlicht geliebt, nur ein kleines, seidenes Bändchen zwischen ihren warmen Körpern. Als hätten sie einander nie staunend und glücklich berührt, ja sich noch nicht einmal geküsst. Genau das würde sie tun, und wenn es sie umbringen sollte.
Die Hochzeit war ein Traum aus Kerzenlicht und Weihrauch, weißer Spitze und Blumen. Wie üblich stand ein Trupp Männer in der Uniform der Schweizer Garde an der Pforte zur Kathedrale bereit, wo links und rechts brennende Fackeln aufgesteckt waren. Sie nahmen die Hochzeitsgesellschaft in Empfang und geleiteten sie durch den Mittelgang der Kirche. Celina, in einem wunderschönen Pariser Brautkleid aus bestickter Seide mit Glockenrock und halblanger Schleppe, schritt am Arm ihres Vaters unmittelbar hinter den Gardisten. Direkt hinter ihr kam Rio mit Celinas Tante Marie Rose, die Celinas vor Jahren verstorbene Mutter vertrat. Dann folgte Caid als Freund des Bräutigams. Er geleitete die Brautjungfer, eine Cousine Celinas aus der Familie ihrer Mutter. Den Abschluss bildete Denys mit vielen Mitgliedern und Freunden der Familie Vallier.
Da die Kirche es nach Mittag nicht erlaubte, wurde keine Messe gelesen, und so war die Trauungszeremonie schlicht und ergreifend. Tränen stiegen Lisette in die Kehle, als sie beobachtete, wie Celina und Rio einander im Kerzenschimmer ansahen. Der goldene Ehering, den der
Bräutigam der Braut ansteckte, war aus zwei miteinander verflochtenen Ringen gearbeitet, auf denen die Initialen der Brautleute und das Hochzeitsdatum sichtbar wurden, wenn man die beiden Teile voneinander löste. Einen ebensolchen Ring erhielt Rio von Celina. Danach Unterzeichneten das Brautpaar und ihre Verwandten, etwa fünfunddreißig Personen, die Heiratsurkunde, bevor sich der Zug der Gäste für das Hochzeitsmahl die Rue Royale hinunter zum Stadthaus der Valliers begab.
Das Festmahl war wirklich prachtvoll. In der Mitte der Tafel thronte als Paradestück die piece montee, ein hoher Hochzeitskuchen mit Nougat, der Cupido, den Gott der Liebe, darstellte. Um ihn herum türmten sich die Köstlichkeiten wie gebratener Truthahn, Schweinebraten, Schinken, Käseplatten und Silber- und Glasschalen mit Salaten. Die reichhaltige Auswahl an Desserts umfasste Süßspeisen mit Gelatine, Pyramiden aus kunstvoll verzierten und glasierten Küchlein, Charlotte Russe, Götterspeise mit dickflüssiger Eiercreme, Berge von Schlagsahne und Sorbets und Eiscreme in kleinen Körbchen aus Orangenschalen, verziert mit kandierten Rosenblättern und Veilchen. Die Gläser wurden nie leer. Flink wurden sie mit Wein und Champagner nachgefüllt, was die vergnügte Stimmung des Abends noch steigerte. Die Braut schnitt den Hochzeitskuchen an und jedes anwesende Mädchen erhielt ein Stückchen, das es in der kommenden Nacht zusammen mit den Namen dreier Heiratskandidaten neben ihr Kopfkissen legen würde. Denn dann, so glaubte man, würde es im Traum ihren zukünftigen Ehemann erblicken. Nach ein, zwei Stunden zogen sich die Brautleute unauffällig in das Brautgemach zurück, das man für sie vorbereitet hatte, doch das Fest ging weiter.
Lisette hielt sich so weit wie möglich am Rande der Festgesellschaft auf, aß nur wenig und sprach noch weniger und auch nur, wenn sie von einem derjenigen angesprochen wurde, die sie kannte. Nur ab und zu warf sie einen Blick
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