Gefechte der Leidenschaft
in Caids Richtung, weniger, weil sie befürchtete, er könne zu ihr herübersehen, als vielmehr, weil sie sich sicher war, dass er es nicht tun würde.
Nachdem das Brautpaar die Gesellschaft verlassen hatte, hielt auch sie sich nicht länger auf. Sie entschuldigte sich bei ihrem Gastgeber, Monsieur Vallier, und schickte sich an, mit Agatha nach Hause zu gehen. Man bot ihr einen Diener als Begleitung an, doch sie lehnte ab unter dem Vorwand, bereits das Nötige veranlasst zu haben. Bis zu ihrem Haus brauchte sie nur vier Häuserblocks auf der vornehmsten und belebtesten Straße der Stadt geradeaus zu gehen und außerdem waren sie ja zu zweit. Wovor sollten sie also Angst haben?
Ihre Gedanken kreisten weniger um ihre Sicherheit als um die Hochzeitszeremonie, die sie an diesem Tag miterlebt hatte. Sie freute sich für Celina und Rio, musste aber zugleich daran denken, wie sehr sich die aufgeregte Vorfreude der beiden auf ihr gemeinsames Leben von ihrer eigenen Ehe und ihren derzeitigen Lebensumständen unterschied.
»Celina war eine wunderschöne Braut«, beendete Agatha das Schweigen und ihre Stimme klang warm und ein klein wenig sentimental.
»Das stimmt.«
»Und Monsieur da Silva! So gut aussehend und männlich, und so verliebt.«
Lisette lächelte zustimmend.
»Allerdings, das muss ich zugeben, mache ich mir Gedanken über das Spottständchen. Ein erstaunlich barbarischer Brauch für derart zivilisierte Menschen. Ich wundere mich, dass es das immer noch gibt.«
»Was für ein Ständchen?«
»Hast du es nicht mitbekommen? Als ich bei den älteren
Damen saß, haben wir lang und breit darüber gesprochen.«
Sie hätte vielleicht besser darauf achten sollen, was um sie herum vorging, statt sich in ihren Kummer zu vergraben, dachte Lisette und antwortete: »So eine unangenehme Geschichte veranstaltet man doch nur für Witwen und Witwer, die wieder heiraten, oder für Paare mit einem großen Altersunterschied, aber doch nicht für ein Brautpaar wie Celina und Rio.«
»Aber es scheint trotzdem geplant zu sein. Das Ganze kommt mir ein bisschen unheimlich vor. Ich hörte, wie Monsieur Nicholas sagte, dass die Bruderschaft auf der Hut sein müsse.«
»Die Bruderschaft?« Lisette runzelte die Stirn.
»Ich dachte, er meint die anderen Fechtmeister, obwohl es schon eine komische Bezeichnung ist. Mir kam der Gedanke, dass das Ganze vielleicht mit den Duellen in letzter Zeit zu tun haben könnte, bei denen Männer bestraft wurden, die ihre Frauen und Kinder misshandelten.«
»Wie kommst du darauf?«
»Eine logische Schlussfolgerung, meine Liebe, obwohl ich mich auch irren könnte. Eine Dame flüsterte etwas davon, dass einige der Fechtmeister eine Art Eingreiftruppe gebildet hätten, die auf eigene Faust verurteilt und richtet. Sie hätten Regeln aufgestellt, denen sich die anderen Männer unterwerfen müssen - oder die Folgen tragen.«
»Und das glaubst du?«
»Ich weiß nicht so recht. Die Dame hat erzählt, dass ihr Bruder zum Duell gefordert und schon in derselben Nacht auf einem Fensterladen nach Hause gebracht wurde. Worum es dabei ging, hat sie nicht gesagt, aber sie wusste alles aus erster Quelle.«
»Und die Leute glauben, dass Rio dazugehört?«
»Vielleicht sogar, dass er der Anführer ist.«
»Aber wenn das stimmt, dann ...«
»Genau, meine Liebe. Monsieur O’Neill und La Roche, will sagen Monsieur Pasquale, sind seine engsten Freunde. Und auch Monsieur Blackford gehört mittlerweile zu ihrem Kreis.«
»Ich kann das einfach nicht glauben, nicht von Rio oder Nicholas und den anderen. Und schon gar nicht von Caid.« Lisette Stimme war fest, doch noch immer zog sie die Stirn in Falten.
»Egal, auf jeden Fall muss etwas an dem Gerede sein, wenn man den beiden ein Spottständchen bringen will. Ich meine, welchen Grund sollte es sonst dafür geben?«
»Vielleicht, weil er ein maitre d'armes war, bevor er ein Graf wurde. Kann sein, dass man ihm diese Standeserhöhung übelnimmt.«
Agatha wirkte nicht überzeugt. »Was auch immer der Grund sein mag, ich denke, Celina und Rio werden den Störenfrieden einfach wie üblich ein Essen ausgeben und dann hat sich die Sache.«
»Vielleicht wird sich aber auch heraussteilen, dass doch etwas Wahres an den Gerüchten war.«
Lisette hatte es kaum ausgesprochen, als sie schon die ersten Rufe hörten. Metallenes Scheppern und Glockengebimmel verkündeten, dass sich eine Menge sammelte, um auf althergebrachte Weise Braut und Bräutigam zu verspotten. Dem
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