Gefechte der Leidenschaft
ein hoch gewachsener Reiter mit einer Geiermaske sein Pferd hoch und gab ihm die Sporen. Der große, schwere Hengst durchbrach die Menge mit einer solchen Wucht, dass links und rechts Männer wie Stoffpuppen beiseite geschleudert wurden. Dann stürmte er direkt auf Caid zu und rammte ihn gegen die schmiedeeiserne Pforte zur Kutschendurchfahrt.
Lisette schrie auf und rannte los. Doch sie kam nur ein paar Schritte weit, dann wurde sie von der Menge aufgehalten, die jetzt vor Entsetzen wie erstarrt stand. Sie wusste, Caid war zu Boden gegangen, denn sie hatte ihn fallen sehen. Doch immerhin war Nicholas an seiner Seite, dachte sie, ließ seinen Degen herumwirbeln und teilte nach allen Seiten Schläge mit der flachen Klinge aus.
Da fiel von oben plötzlich ein silberner Regen. Klirrend und klimpernd ergoss sich ein Schauer von Münzen auf die Straße und in den Rinnstein. Lisette blickte auf und entdeckte Celina in einem Nachthemd und Negligee aus besticktem Batist, umflossen von der Fülle ihres goldbraun schimmernden Haares. Sie schleuderte noch mehr Münzen in hohem Bogen hinunter. Mit grimmigem Gesicht, nackt bis zur Taille und barfuß stand Rio neben ihr und hielt seinen Hut, aus dem seine frisch gebackene Ehefrau den Geldsegen so freigiebig schöpfte.
Innerhalb weniger Sekunden hatte sich der Pöbelhaufen in eine Vielzahl von Männern aufgelöst, die im Schmutz der Straße auf den Knien lagen und Münzen zusammenscharrten. Lisette drehte sich sofort wieder zu der Stelle um, an der Caid zu Boden gegangen war, und ihre Augen suchten verzweifelt nach ihm. Doch er war verschwunden und die anderen Fechter mit ihm. Mit einem Klirren fiel die Pforte hinter ihnen ins Schloss und der Metallriegel wurde in sein Loch gerammt.
War Caid verletzt? Verstümmelt? Tot? Lisette wusste es nicht und hatte auch kein Recht, danach zu fragen. Falls nichts von alledem zutraf - umso besser. War jedoch das Schlimmste eingetreten, so wollte sie es gar nicht wissen. Jedenfalls nicht gleich.
Sie hätte es nicht ertragen können, gerade jetzt, da ihr etwas aufgegangen war, was sie schon vor Tagen hätte erkennen müssen. Spätestens an dem Tag, als Caid ihr unter dem weißen Zelt aus Musselin gezeigt hatte, was Leidenschaft und Liebe ist.
Sie liebte ihn.
Sie liebte ihn, und doch hatte sie ihn verletzt, hatte ihn benutzt, hatte ihn einen Weg gehen lassen, auf dem ihm keine andere Wahl blieb, als wieder und wieder dem Tod ins Auge zu blicken. Sie hatte zugelassen, dass er zur Zielscheibe für den blinden, tödlichen Zorn eines Vaters wurde, ein Zorn, der sich doch nur gegen sie allein hätte richten dürfen. Und nun war er vielleicht tot. Das konnte sie nicht ertragen.
In einem Wirbel von beschmutzten und zerrauften Röcken fuhr Lisette herum und bahnte sich einen Weg durch die rempelnden Männer, die sich um die Münzen balgten und Gott sei Dank nichts anderes mehr wahrnahmen. Schließlich raffte sie ihr Kleid und die Unterröcke hoch und rannte in halsbrecherischem Tempo zu der Stelle zurück, wo sie von Agatha getrennt worden war. Da saß ihre Freundin gegen die Mauer eines Geschäfts gelehnt und hatte einen großen blauen Fleck auf der Stirn. Atemlos stürmte Lisette auf sie zu und ließ sich neben ihr auf die Knie fallen.
»O Agatha, geht es dir gut? Bist du verletzt? Sag mir, wo es weh tut.«
»Mein Kopf ... Ich habe ihn mir im Fallen angeschlagen.« Behutsam betastete Agatha ihre Schläfe mit einer Hand und ließ mit der anderen ihren zerdrückten Kopfputz in der Luft baumeln. »Meine Haube scheint es schlimmer erwischt zu haben als mich.«
Lisette fiel ein Stein vom Herzen. »Dem Himmel sei Dank! Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn dir etwas passiert wäre. Hätte ich doch nur nicht die Begleitung ausgeschlagen!«
»Sei nicht albern. Wie hättest du ahnen sollen, dass so etwas geschieht? «
Agathas schroffer Ton verriet, dass sie sich langsam erholte. Lisette schluckte hart. »Komm, lass dir aufhelfen. Dann gehen wir schnell nach Hause, bevor sonst noch etwas passiert.«
»Ja gut, Lisette, aber ...«
Lisette schaute ihre Gefährtin fragend an, während sie den Arm um sie legte und ihr beim Aufstehen half.
»Ich habe sein Gesicht gesehen«, fuhr Agatha fort. »Der Mann auf dem Pferd ... er nahm seine Maske ab, als er an mir vorüberritt.«
Bleierne Stille senkte sich auf Lisette nieder. »Und?«
»Ich verstehe es nicht. Warum sollte er auf dieser Hochzeit bei einem Spottständchen mitmachen? Das ergibt doch
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