Gefechte der Leidenschaft
so ging er nicht weiter darauf ein. Stattdessen sagte er: »Ich denke, ich sollte dich darauf hinweisen, dass ich mich in Zukunft vielleicht nicht mehr ganz so sehr für die Bruderschaft einsetzen werde.«
»Gibt es dafür einen Grund ? «
Caid hielt den Blick auf die Klinge in seiner Hand gesenkt und prüfte die Schneide mit dem Daumen. »Mir ist nicht mehr ganz wohl dabei, Menschen für ihre Sünden zu bestrafen.«
»Wegen Moisant«, sagte Blackford mit einem wissenden Nicken, denn ebenso wie der Rest der Gruppe hatte er auf dem Rückweg vom Maison Blanche die Geschichte von Eugene und Brona erfahren, so wie Caid sie von Lisette gehört hatte. »Festzustellen, dass man als Helfer bei einem Selbstmord missbraucht wurde, ist sicher sehr unangenehm, aber das heißt noch lange nicht, dass jeder Mann, den wir bestrafen, unschuldig ist.«
»Einer reicht schon.«
»Du misstraust also deiner eigenen Urteilsfähigkeit? «
»Ich bin einfach ein Mann mit einem Degen«, sagte Caid und wiederholte damit die Worte, die jemand — war es Maurelle gewesen? - vor einigen Wochen gebraucht hatte. »Ich dachte immer, dass ich Recht von Unrecht unterscheiden könne, dass beides leicht voneinander zu trennen sei. Und weil ich mir so sicher war, ist ein Mann jetzt tot, der nicht hätte sterben dürfen. Ich sehe noch immer seine Augen ...« Er verstummte.
»Auch ich sehe die Augen derer, die so sinnlos durch meine Klinge sterben mussten«, entgegnete Blackford leise. Caid nickte knapp. »Verzeih mir, ich wollte keine Geister der Vergangenheit heraufbeschwören.«
»Manche allerdings haben ihr Schicksal verdient. Triff also keine übereilte Entscheidung, denn du wirst in der Bruderschaft gebraucht.«
Darauf wusste Caid keine Antwort, aber es war auch keine erforderlich, denn schon war der Engländer davongeschlendert und auf dem Weg zur anderen Seite des Saales, wo Nicholas seine Muskeln mit einer Reihe von Ausfallschritten dehnte.
Bei der ersten Runde, oder phrase d'armes, des Turniers war Caid nicht dabei. Zehn Männer, je zwei auf den fünf Bahnen, standen sich in diesem ersten Gang gegenüber.
Sieger war jeweils derjenige, der als Erster fünf Treffer erzielen konnte. Die Treffer wurden von den Mitgliedern der Jury für die Wettkampfrichter und die Fechtenden laut ausgerufen. Sobald ein Kampf entschieden war, trat in ständigem Wechsel ein neues Paar auf der Fechtbahn gegeneinander an. Da ein Kampf nur selten über mehr als zehn Minuten ging, dauerten die ersten Ausscheidungskämpfe höchstens ein paar Stunden. Am Ende dieser ersten Runde waren von den ursprünglich fünfzig Fechtern nur noch fünfundzwanzig übrig geblieben. Die folgenden Gänge, bei der sich die Zahl der Wettkämpfer auf zwölf, dann sechs, vier und schließlich zwei verringerte, dauerten -ein paar Pausen inbegriffen - in etwa noch einmal genauso lange. Vor dem Abendessen sollte die ganze Angelegenheit eigentlich vorüber sein.
Es war von Vorteil, dass Caid erst in der zweiten Runde an die Reihe kam, denn so hatte er Gelegenheit, seine Konkurrenten zu beobachten. Die Stärken und Schwächen vieler von ihnen waren ihm durch Freundschaftskämpfe bekannt oder durch gelegentliche Besuche in ihren s alles d'armes an den Tagen, an denen sein eigenes Studio geschlossen war. Doch einigen von ihnen hatte er noch nie zugesehen. Ihnen widmete er jetzt die größte Aufmerksamkeit, denn zu wissen, mit welcher Geschwindigkeit, Ausdauer, Angriffs- und Verteidigungstechnik sie kämpften und aus welchem Abstand sie anzugreifen pflegten, konnte später von unschätzbarem Nutzen sein.
Edouard Sarne beobachtete er noch ein wenig länger als die anderen, da man hohe Wetten auf ihn abgeschlossen hatte. Sarnes Art zu fechten zeichnete sich besonders durch Aggressivität aus, das hatte Caid schon in ihrem unterbrochenen Duell festgestellt. Auch jetzt leuchtete sie ihm aus den Augen, als er bestrebt war, seinen Gegner mit seinen furiosen Angriffen einzuschüchtern. Caid hatte genug gesehen und ging weiter.
Der Konkurrent, der ihm am meisten Kopfzerbrechen bereitete, war Nicholas Pasquale. Der Italiener war Linkshänder, was ihn besonders gefährlich machte. Die meisten Männer wurden angesichts eines solchen Gegners nervös, da sie gezwungen waren, sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen, die entgegen dem Uhrzeigersinn und aus einem unerwarteten Winkel erfolgten.
Doch das war nicht Pasquales einziger Vorteil. Er verfolgte eine intelligentere Strategie als die meisten anderen
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