Gefechte der Leidenschaft
dann brauchte er sich keine Sorgen wegen ihrer Attraktivität zu machen. Doch dieser Samt war nicht im Mindesten vulgär. Weich fließend kräuselte er sich in kleinen Wellen und schimmerte im Licht wie der Pelz des sagenhaften Sumpfpanthers — ein Stoff wie für eine Königin gemacht.
Lisette verließ mit Agatha das Geschäft als stolze Besitzerin des Samtes, den man ihr zusammen mit den restlichen Einkäufen ins Haus liefern würde. Was sie nun noch brauchte, war eine Schneiderin, die aus den Stoffen Kleider fertigen konnte, die zwar angemessen für die Trauerzeit, doch nicht allzu streng, etwas Besonderes, und dennoch züchtig waren. Die Frau, die solche Arbeiten im Haus ihres Schwiegervaters ausführte, war zwar durchaus tüchtig, aber ohne jedes künstlerische Talent. Eine andere musste her, doch wo war sie zu finden?
Als sie sich gerade auf dem Bürgersteig an einem Leierkastenmann mit einem Äffchen vorbeidrückten und dann dankend einem Herrn zunickten, der ihnen Platz gemacht hatte, sagte Agatha: »Aus allem, was du mir von Madame Herriot erzählt hast, schließe ich, dass sie eine geeignete Frau wissen wird.«
»Kennst du Maurelle denn nicht?«
»Ich hatte nie das Vergnügen, doch natürlich hört man so einiges.«
Lisette warf Agatha einen forschenden Blick zu und machte einen großen Schritt über eine Pfütze, die zurückgeblieben war, als man das Pflaster geschrubbt hatte. »Was denn zum Beispiel?«
»Vor allem ihre exzentrische Art. Es heißt, sie sei pariserischer als die Pariser.«
»Was ein großer Fehler ist«, bemerkte Lisette trocken. Die meisten französischen Kreolen in New Orleans orientierten sich in allem an Paris. Diese Stadt war Mittelpunkt ihrer Welt und diktierte ihnen, was sie essen, tragen, wie sie ihre Häuser einrichten, was sie lesen und meist auch, was sie denken sollten. Jeden Tag machten Schiffe aus England und von der Ostküste der Vereinigten Staaten an den Landungsbrücken fest, doch was sie mitbrachten, hatte, verglichen mit den Schiffen aus Le Havre, kaum einen Einfluss auf die hiesige Lebensart.
Agatha schürzte die Lippen. »Die Dame bewegt sich an der äußersten Grenze des Erlaubten.«
»Zu mir war sie die Güte selbst.«
»Dann ist sie eine mitfühlende Frau und auch meine gute Freundin.« Agatha zwinkerte Lisette mit versöhnlichem Lächeln zu. »Sollen wir über die Straße in den Schatten gehen? Die Sonne scheint heute morgen schon ziemlich warm.«
Das war noch untertrieben. Es herrschte Frühling und die Sonne gab bereits einen Vorgeschmack auf die drückende Hitze des Sommers. Je wärmer es wurde, desto überwältigender drang der süße Hauch des Duftenden Ölbaums aus den Innenhöfen. Entlang den Straßen und außerhalb der Stadt in den Wäldern standen die Bäume in voller Blüte und sandten Wolken von Pollen in die Luft, die jeder Windstoß in dicken Schwaden heranwehte, bis sie in die Falten der Kleider drangen und wie gelber Schnee den Bürgersteig bedeckten.
Lisette und Agatha schürzten ein wenig die Röcke und ließen einen Lastkarren vorüberrumpeln, bevor sie die Straße überquerten. Währenddessen bemerkte Lisette, dass sich der große Dandy, der ihr schon vorher aufgefallen war, immer noch in der Nähe aufhielt. Sie überlegte, womit er sich wohl beschäftigt haben mochte, während sie und Agatha sich im Warenhaus aufhielten, und fragte sich, ob er wohl gemerkt hatte, dass sich hinter seinem Rücken ein bunter Haufen von kleinen Jungen über sein müßiges Dahinschlendern lustig machte. Doch als der Karren fort war, richtete Lisette ihre Aufmerksamkeit darauf, den Hindernisparcours aus Pferdeäpfeln, Strohhalmen und verfaulten Gemüseresten auf der Straße zu überwinden.
Sie waren erst ein paar Schritte auf der anderen Straßenseite gegangen, als ein offensichtlich betrunkener Seemann ihnen den Weg versperrte. Die Füße wie auf einem schlingernden Schiffsdeck fest in den Boden gestemmt, stand er schwankend mitten auf dem Bürgersteig. Lisette wollte um ihn herumgehen, doch er vertrat ihr den Weg.
»Hallo, hübsche Lady«, nuschelte er in der schleppenden Sprechweise der Londoner Slums. »Los, gib mir’n Kuss.«
Mit erhobenem Kinn trat Lisette einen Schritt zurück. »Lassen Sie mich gefälligst vorbei, Monsieur.«
»Machen Sie, dass Sie wegkommen, guter Mann«, sagte Agatha in ihrem strengsten Ton, »oder ich rufe die Gendarmen.«
»Mach das ruhig, du alte Schraube, denen werde ich ordentlich eine verpassen.« Der Matrose
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