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Gefechte der Leidenschaft

Titel: Gefechte der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Und außerdem verschafft uns ja die Fastenzeit eine Atempause.«
    »Ach ja, die Fastenzeit...« Agatha lächelte leise. »Als ich zum ersten Mal hierher kam, war ich über die mangelnde Frömmigkeit geradezu entsetzt.«
    »Und jetzt?«
    »Ich fürchte, ich habe mich davon anstecken lassen, wohl auch, weil ich weiß, dass kreolische Frömmigkeit eher etwas mit der inneren Einstellung als mit dem äußerlichen Gebaren zu tun hat. Auf jeden Fall werde ich die sonntäglichen Theaterabende und Festlichkeiten vermissen, wenn ich wieder in Boston bin.«
    »Aber du willst doch wohl nicht schon wieder abreisen?«
    »Zumindest nicht so bald.«
    »Gar nicht, wenn ich da ein Wörtchen mitzureden habe«, sagte Lisette mit Bestimmtheit. Bei den Kreolen war es zwar Sitte, sofort zu widersprechen, wenn ein Gast seine Abreise erwähnte, aber sie konnte den Gedanken wirklich nicht ertragen, Agatha so kurz nach ihrem Wiedersehen erneut zu verlieren. Bei keinem anderen Menschen fand sie eine solche Geborgenheit und so viel Verständnis, ganz gleich, ob sie nun allein sein wollte oder Gesellschaft suchte.
    In diesem Augenblick kam Felix und brachte ein Tablett mit noch warmen Croissants von der boulangerie gegenüber und Kannen mit heißem Kaffee und Milch für cafe au lait. Die Düfte, die sich entfalteten, als er das leinene Abdecktuch entfernte, hätten einen Heiligen in Versuchung führen können. Nach dem Frühstück unterhielten sich Lisette und Agatha über Kleider und Kopfbedeckungen, über die Canezou-Blusen und die Modefarben der Saison, alle Schattierungen von Grau, Rose und blassem Gelb. Dieses überaus wichtige Thema war immer noch nicht abgeschlossen, als sie eine Stunde später ihre Hauben, Schleier und Handschuhe anzogen und das Haus verließen.
    Ihr Weg führte sie von Madame Crevons Modewarengeschäft, wo Lisette eine entzückende Haube aus Stroh erstand, zu Scanlon. Dort war, laut einer Anzeige im Magazin L’Abeille, mit einem Schiff aus Le Havre eine Ladung Frühjahrs- und Sommerhüte aus dem berühmten Salon der Madame Goeneutte in Paris eingetroffen. Da es sich wider Erwarten um Hüte für den Abend handelte, kaufte Lisette einen reizenden Hut aus Batist, Organdy und Spitze für Agatha, für sich selbst jedoch nichts.
    Als sie wieder auf den Bürgersteig hinaustraten, fiel ihr ein Mann auf. Er saß in einem nahe gelegenen Cafe, in dem die Glastüren offen standen, um die frische Morgenbrise einzulassen. Er war groß, gut gekleidet und recht anziehend, doch Lisette bemerkte ihn vor allem wegen der aufmerksamen Blicke, die er ihnen zuwarf. Unvermittelt trank er seinen Kaffee aus, entnahm seiner Börse ein paar Münzen und ließ sie auf den Tisch fallen. Dann stand er mit kraftvollen und geschmeidigen Bewegungen auf, steckte die Zeitung, die er gelesen hatte, in eine Innentasche seines Rocks, ergriff seinen Spazierstock und schlenderte auf der anderen Straßenseite immer auf gleicher Höhe mit ihnen dahin.
    Lisette glaubte den Herrn flüchtig zu kennen, wusste aber nicht woher. Und da es ebenso unhöflich wie unklug war jemanden anzustarren, blickte sie geradeaus. Dennoch war sie sich die ganze Zeit seiner Gegenwart bewusst, wie er so dahinspazierte, seinen Stock wirbeln ließ, Bekannte mit einer leichten Verbeugung grüßte und den Damen mit einem Tippen an den Hut und einem Schritt zur Seite Platz machte.
    Nach kurzem Aufenthalt in einem kleinen Laden für feine Strumpfwaren in der Rue Bienville gingen sie schließlich noch zum Textilwarenhaus von Bourry D’Ivernois in der Rue Chartres. Es bot eine reiche Auswahl an französischem Merinotuch, feinem M ousso de Laine, bedrucktem Challis, Merinoschals, italienischen Stickereien, Musselinstoffen und Baumwollgeweben für Halstücher. Mantil-las gab es dort ebenso wie schottische Tartans und Schweizer Tuchwaren aller Art.
    Die duftigen Stoffe waren verlockend und einige davon in Schwarz hätte Lisette gut gebrauchen können. Doch was ihr geradezu den Atem verschlug, war eine Bahn schwarzer Samt. Einen solch kostbaren Stoff hatte sie noch nie getragen. Unverheirateten Frauen war Samt verboten, doch auch nach ihrer Heirat hatte Eugene es nicht gebilligt. Seiner Meinung nach war alles, was die Aufmerksamkeit auf seine Frau lenkte, zwangsläufig vulgär und ungehörig, also verbot er es. Das geschah nicht aus leidenschaftlicher Zuneigung, er wachte nur eifersüchtig über sein Eigentum. Am liebsten sah er Lisette in gedämpften Farben und reizlos geschnittenen Kleidern,

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