Gefechte der Leidenschaft
sein Schatten zeichnete sich gegen das Licht ab, das durch die Jalousien an den Glastüren drang. »Was meinen Sie damit?«
»Madame Herriot machte eine beiläufige Bemerkung über Ihren langen Aufenthalt in Frankreich, wo sie Sie zum ersten Mal traf.«
»Sie haben über mich gesprochen?«
»Nur kurz. Sie wollte, dass ich Ihre Lage verstehe.«
»Und, tun Sie das?«
»Ich glaube schon. Aber Sie müssen wissen, dass viele Leute in New Orleans einen Sträfling unter ihren Vorfahren haben. Wir möchten gern glauben, dass wir alle von unschuldigen jungen Waisenmädchen abstammen, die von der französischen Krone als Bräute für die Kolonisten hierher geschickt wurden, oder von Familien, die dem Terror der Französischen Revolution entkommen sind. In manchen Fällen trifft das auch zu, doch es stimmt auch, dass die allerersten Siedler Insassen der Pariser Gefängnisse waren. Meine eigene Urgroßmutter, das hat mir meine grand-mere zumindest anvertraut, hat man aus der Snipetriere geholt, wo sie wegen Giftmordes an der Geliebten ihres Mannes einsaß.«
Caid schwieg so lange, dass sie schon glaubte, er werde nicht antworten. Doch schließlich sagte er schroff: »Sie haben ein weiches Herz.«
»Sie glauben, ich hätte Ihnen von dem alten Familienskandal erzählt, um Ihnen Ihre eigene Geschichte erträglicher zu machen? Da denken Sie zu gut von mir.« Lisette war nicht einmal sicher, ob die Geschichte überhaupt stimmte. Ihre Mutter, eine Frau von großer Eleganz und eisernem Willen, hatte eine spöttische Bemerkung darüber gemacht, als die Sache während der Verlobungsverhandlungen mit den Moisants zur Sprache kam.
»Das glaube ich nicht. Aber wie auch immer, jetzt muss ich gehen, bevor sich die Lästerzungen über die jetzige Generation das Maul zerreißen.«
Als er einen Schritt auf sie zu machte, trat sie beiseite, um den Weg frei zu geben. Doch sobald er die Tür öffnete, stieß sie hervor: »Warten Sie!«
»Ja?«
»Wie sind Sie hereingekommen? Ich bin sicher, dass alle Fenster und Türen zugesperrt waren, weil ich Felix dabei zugesehen habe.«
»Es war nicht schwer. Ich brauchte nur meinen Stockdegen durch das Gitter der Fußgängerpforte zu stecken und den Riegel hochzuschieben. Ich werde mich morgen früh darum kümmern.«
»Und bis dahin?«
»Werden Sie keinen Schlaf finden aus Angst, dass es noch einmal geschehen könnte? Ich verspreche Ihnen, das wird es nicht.«
»Ich habe auch nicht angenommen, dass Sie ein zweites Mal einsteigen.«
»Nein, so groß die Versuchung auch sein mag«, antwortete er. »Aber auch sonst niemand. Sie können ruhig schlafen, denn ich werde Wache halten.«
»Aber Sie müssen doch auch schlafen«, wandte Lisette ein.
»Morgen, vielleicht.«
Was meinte er damit? Dass er nicht schlafen konnte oder dass er keinen Schlaf nötig hatte? Sie wusste es nicht und Caid wartete keine weiteren Fragen mehr ab, sondern ging aus dem Zimmer, die Galerie entlang und die Treppe hinunter. Lisette folgte ihm auf die Galerie hinaus und lauschte auf das Knirschen seiner Schritte in der Kutschendurchfahrt oder auf das Quietschen der Fußgängerpforte, aber es blieb still. Entweder war er lautlos auf die Straße hinausgetreten oder er war überhaupt nicht fortgegangen.
Eine Zeit lang stand sie noch da und starrte in die Dunkelheit, doch es war kein Laut mehr zu hören. Schließlich ging sie zurück in ihr Schlafzimmer.
»Um Himmels willen, meine Liebe!«, rief Agatha am nächsten Morgen, als Lisette ins Speisezimmer trat. »Du siehst aus wie etwas, das die Katze reingeschleppt hat und die Kätzchen nicht mochten. Geht es dir gut? «
Lisette setzte ein Lächeln auf. »Ich konnte nicht schlafen. Ich war wegen des Umzugs hierher so aufgeregt, weißt du.«
»Ach herrje! Wir wollten ja eigentlich heute morgen ein paar Geschäfte besuchen, aber wenn dir das zu anstrengend ist, können wir den Ausflug auch verschieben.«
»Nein, nein. Ein paar Sachen müssen wir gleich bestellen, sonst ist die Saison vorbei, ehe sie geliefert werden.«
»Wir haben noch jede Menge Zeit, meine Liebe. In keiner anderen Stadt ist die Wintersaison so lang wie in New Orleans. Ich wundere mich über die Ausdauer der französisch-kreolischen Damen, die kaum einen Handschlag allein tun können, aber von November bis weit nach Ostern praktisch jede Nacht durchtanzen.«
»Vielleicht weil Tanzen unsere Hauptbeschäftigung ist«, sagte Lisette lächelnd. »Das gilt zumindest für diejenigen, die jung und ungebunden sind.
Weitere Kostenlose Bücher