Gefechte der Leidenschaft
interessanter Gesichtspunkt«, stimmte Nicholas zu. »In Texas schlummern in der Tat große Reichtümer.«
»Trotzdem geht es bei der Sache in erster Linie um Nationalstolz«, sagte Blackford in ruhigem, besonnenen Ton. »Texas stand viele Generationen lang unter spanischer Herrschaft. Dass Mexiko es, kaum gewonnen, wieder aufgeben musste, ist ein Schandfleck für die nationale Ehre. Und für einen aufstrebenden Staat wie Mexiko ist es be-sonders schmerzlich, sich eingestehen zu müssen, dass man Texas nie wieder zurückbekommen wird.«
»Ich bin sicher, Sie haben Recht, Monsieur«, sagte Lisette mit gedankenverlorenem Blick auf den Engländer, »dennoch erscheint es mir unvernünftig, dass man dafür sein Leben opfert.«
»Krieg ist nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, wie man so sagt, Madame Moisant. Doch für einen besonnenen Menschen kann es nie einen annehmbaren Grund für Krieg geben, und wenn mehr Männer nachdenken würden, bevor sie zu den Waffen greifen, gäbe es vielleicht bald keine Kriege mehr.«
»Das wäre ja eine Katastrophe«, warf Hippolyte grinsend ein. »Denn dann hätte ich gar keine Gelegenheit, meine Uniform zu tragen und damit den Damen zu imponieren.«
Alles lachte über die witzige Bemerkung, nur Lisette wandte sich ernst an den jungen Mann: »Also sind Sie schon in die Miliz eingetreten?«
»Aber sicher. Denys und Armand auch. Wissen Sie, das muss einfach eine tolle Sache sein, wo doch so viele Fechtmeister dabei sind, sogar die Herren Pasquale und O’Neill.«
»Tatsächlich?« Sie hob eine Braue und schaute zu Caid hinüber. Er zwang sich, ihrem Blick standzuhalten und sagte: »Es schien mir angeraten.«
»Der Streit zwischen Texas und Mexiko geht Sie doch gar nichts an.«
»Ich habe etwas gegen Leute, die die Freiheit anderer mit Gewalt beschneiden.«
Wie Caid aus dem Augenwinkel bemerkte, huschte ein schwer zu deutender Ausdruck über das allzu gefällige Gesicht des Engländers. Bevor Lisette weiterreden konnte, sagte Blackford: »Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Einwohner von New Orleans auf die Seite Mexikos stellen. Immerhin waren sie vor höchstens vierzig Jahren doch auch noch spanisch, oder?«
»Wir waren immer mehr französisch als spanisch, selbst unter der Herrschaft der spanischen Granden,« fuhr Denys Vallier heftig auf. »Und jetzt sind wir Amerikaner. Schließlich haben wir erst 1814 ebenfalls gegen die Unterdrückung gekämpft.«
»Unterdrückung durch die Engländer, so würden Sie es vermutlich nennen. Touche, Monsieur.« Ein leises Lachen schien in Blackfords Augen aufzuglimmen, bevor er den Kopf senkte. »Da bin ich aber froh, dass mein Vater bei der Schlacht damals nicht dabei war, denn sonst wäre ich heute vielleicht nicht hier.«
»Ich wollte nicht, ich meine ...« begann der junge Vallier verwirrt.
»Nein, sicher nicht. Immer mit der Ruhe, mein Freund. Für Dinge, die lange vorbei sind oder wegen einer unbeabsichtigten Kränkung fordere ich niemanden zum Duell.«
Die sanfte Stimme des Engländers zerrte an Caids Nerven, ebenso wie der kurze, anerkennende Blick, den Lisette diesem Herrn zuwarf. Falls Blackford hier sein Glück in Gestalt einer reichen Braut finden wollte, schien er auf dem richtigen Weg zu sein.
»Sie wollen also kämpfen?«, fragte Lisette den jungen Kreolen.
»Ich hoffe zumindest, dass man mir Gelegenheit dazu gibt«, entgegnete Vallier ein wenig steif.
»Warum, wo Ihnen hier und jetzt doch keinerlei Unterdrückung droht?« In Blackfords Worten lag nichts als milde Neugier.
»Louisiana grenzt an Texas, Monsieur, und ist nur durch einen schmalen Fluss, den Sabine, von ihm getrennt. Es gilt als ausgemachte Sache, dass sich die Republik Texas zu gegebener Zeit der amerikanischen Union anschließen wird, wodurch sich dann die Grenze der Vereinigten Staa-ten viel weiter nach Westen verschieben würde. Eine solche Entwicklung wäre uns bedeutend lieber, als wenn auf dem anderen Flussufer schon Mexiko läge, das vielleicht noch weiter reichende Expansionspläne hat.«
»Aber ist Ihr Land denn nicht schon jetzt groß genug?«
Die Politik konnte ein gefährliches Thema sein, dachte Caid, zumal, wenn Männer aus verschiedenen Ländern aufeinander trafen. Er blickte zu Lisette hinüber und fragte sich, ob ihre Autorität in diesem Salon wohl groß genug sein würde, um das Gespräch in sichere Bahnen zu lenken. Dazu machte sie jedoch keinerlei Anstalten, sondern wartete vielmehr mit offenkundigem Interesse auf
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